Samstag, 10. April 2010

Plötzlich ist der WM-Titel zum Greifen nahe

Ralf Heckel
International Space Eduction Institute
www.spaceeducation.de

Fotos: http://www.flickr.com/photos/spaceeducation/collections/72157620442564423/
Videos: http://www.youtube.com/profile?user=SpaceEducation#g/c/D43CCA12213F30AC

Nie hätte ich gedacht, dass das so schnell eintritt, was heute passiert ist. Unser Team landete zu meiner völligen Überraschung auf dem ersten Platz des Tages. Natürlich ist das Rennen noch nicht vorbei. Jedes Team hat noch eine zweite Chance, morgen. Aber auch unser Team hat diese.

Unser Team bekam die Startnummer 7. Das bedeutet: sehr früh aufstehen. Die Nacht ist also um 5 Uhr zu Ende, noch vor Sonnenaufgang. Max nimmt seine Aufgabe als Trainer sehr ernst und ich lasse mich als Teamleiter von seiner Professionalität fangen. Er schreibt den Fahrern seit dem gestrigen Abendessen jeden Bissen vor und hat immer ein Fläschchen irgendwelcher Energydrinks oder einen Bissen Obst bei sich. Zwischendurch werden Dehnungs- und Lockerungsübungen gemacht. Das Team hat seine Zielgerade gefunden und jeder seinen Platz darin. Erleichtert fahre ich den Van zum Space & Rocket Center. Es ist still darin, als die mächtige Saturn V am Horizont erscheint und immer größer wird. Wenn ich gekonnt hätte, so hätte ich jetzt die Titelmusik von Star Trek oder Armageddon eingelegt – und sie würde zur Situation passen.

Über 500 Workshops, zehntausende von Autokilometern und zig Flugreisen liegen hinter uns. Davon hat dieses Team alles mitgemacht, jeder auf seine Weise. Alles kam von Innen heraus und nichts von oben herab. Die letzten Tage in Alabama haben zusammengeschweißt, Unebenheiten sind egalisiert worden. Dennoch habe ich nicht das Gefühl nun Siegessicher zu sein. Zuviele Kompromisse mussten gemacht werden. Da sind letzte Unzulänglichkeiten an der Konstruktion, der Telemetrie, das Training hatte kaum stattgefunden und auch die Übung im Auseinanderfalten ist eigentlich nicht da.

Vielleicht aber fixiere ich mich in den letzten Minuten vor dem Rennen besonders auf die Dinge die man noch hätte besser machen können. Dennoch, eine Erwartungshaltung ist nur insofern da, dass ich an einen besseren Platz als im letzten Jahr glaube und auf einen Patzer im ersten Rennen vorbereitet bin.

Morgenrot steht über dem wolkenlosen Himmel. Es ist angenehm frisch. Die Vögel zwitschern und es riecht nach Blütenfrühling. Der Moonbuggy wird startklar gemacht. Zwei kleine Schweißpunkte mit der WIG-Maschine in der Werkstattbox mache ich am Buggy, um die Aufregung der Fahrer etwas zu stillen. Dann geht es los.



Die Inspektion geht ohne Zwischenfälle vorüber. Steffi und Stefan machen ihre Sache gut. Der Buggy wird mit 179 Pfund (89,5 kg) gewogen, eine Überraschung für mich. Da müssen unsere alten Personenwaagen wohl ungenau gehen. Dann klappen beide Fahrer das Buggy auseinander, 6 Sekunden – ein Ergebnis das es noch nie in unseren Reihen gab.

Ohne Zwischenstopp müssen beide zur Startlinie fahren. Ich mache die Telemetrie bereit, fahre das Mission Control-Center hoch (heute ein kleines Notebook mit Handfunke von Midland) und starte den zweiten GPS-Logger. Inzwischen sind Steffi und Stefan mit den Interviews von NASA-TV beschäftigt. Dabei wird die Bordkamera vergessen und schon ertönt das Startsignal. Es ist 8:18 Uhr.

Mit schwarzen Spuren zischt der Buggy davon. Ich kann gerade noch ein Bild von vorn machen und schon fahren beide den Berg hinauf, als haben sie die Hindernisse einfach vergessen. Mein Platz ist im Start- und Zielbereich. Also begebe ich mich zurück zum Laptop. Dort schauen die Reporter gespannt auf den Monitor. Der Moderator kommentiert begeistert die Bewegung des kleinen Buggys auf der Satellitenaufnahme. Alles staunt.

Dann bleibt der Buggy in Mondkrater stehen. Die Zuschauer stehen nun da wie versteinert. Ich bemerke schnell, dass keine Daten mehr eingehen. Ich beruhige sie: „Da muss ein Funkloch sein, dauert nicht lange". Aber der Buggy bleibt im Krater stehen. Er bewegt sich nicht weiter. Nun geht alles durch den Kopf. Die Passanten schauen hilflos auf den Monitor und sehen mitleidsvoll aus.

Da schießt der Buggy über die Bergkuppe. Völlig überrascht renne ich ihnen entgegen und mache im Laufen die Kamera startklar. Mist, verpasst. Ich laufe nebenher und erst das dritte Foto gelingt mir wieder. Verdammt sind die schnell! Ich komme kaum an eine Position vor dem Buggy, da ist er auch schon über der Ziellinie. Alles klatscht.

Wow! Ich habe kein Zeitgefühl mehr im Kopf. War das nun schnell oder langsam? Ich hatte noch in Erinnerung, dass sie irgendwo stehengeblieben sind. Dafür ist aber keine Zeit. Nun müssen die Piloten fotografiert werden. Ich mache das mechanisch während beide sich auf die danebengelegene Wiese schleppen im Gras kugeln und quietschvergnügt mit Wasser bespritzen. „Was machen die denn da" denke ich mir noch so und weiche der NASA-TV-Kamera aus. Sie hält voll drauf und ich realisiere, dass dies nun Millionen von Zuschauern miterleben.



Einen endlosen Augenblick schweben wir all im Ungewissen. Dann flüstert uns jemand die Zeit: 3 Minuten 31 Sekunden. Ich wiederhole die in englisch ausgesprochenen Worte noch einmal im Kopf. Mein der nun Thirteen oder Fourteen? Es klingt so ähnlich. Dennoch bleibt diese Zahl eine Nebensache. Die Hauptsache ist, dass der Buggy mit Fahrern unbeschadet durchkam. Max kümmert sich sofort um beide Fahrer und das macht er sehr professionell.

Ich rufe zu einer kleinen Besprechung mit Überprüfung des Buggys und des Zustandes der Fahrer ein. Alles steht auf GO. Es gibt keine Schäden. Auch der Funkausfall klärt sich schnell auf. Ein Wechselrahmen hat sich aus der Raste gelöst und das unterbrach damit die Stromzufuhr zum Modem. Wir müssen Klebeband anbringen – das ist alles.

Damit ist der Tag gelaufen. Ich entlasse das Team mit der Auflage dafür zu sorgen, dass unsere Box ständig besetzt ist. Die Telemetrie wird dazu wieder zum Funkhandy umfunktioniert.

Dennoch kitzelt es und es interessiert, welchen Platz wir nun eigentlich belegt haben. Da ist ein Monitor im Space Camp auf dem die Ergebnisse veröffentlicht werden. Ganz oben steht das „International Space Education Institute (Germany)". Dieser Anblick verstreut ein erhabenes Gefühl und ich mache jedes Mal wenn ich daran vorbei gehe ein Foto davon. Ich will diesen kurzen Moment einfach sooft es geht festhalten.



Jedesmal wenn ich an diesem Monitor vorbeigehe, erwarte ich, dass wir getoppt werden. Aber unser Name bleibt wie ein Stein auf diesem ersten Platz den ganzen Tag stehen. Ich bin davon sehr überrascht und allmählich macht sich in mir die Frage breit: „Was bedeutet das nun?" Ich weiß, dass noch nie ein NASA-Cashpreis das Land verlassen hat. Sollten wir wirklich die Moonbuggy Weltmeisterschaft erringen? Dann ist das zum ersten Mal, dass ein Moonbuggy-Gewinner nicht aus dem Gastgeberland kommt. Und es wäre das erste Mal, dass ein Nicht-US-Team als Gewinner in das NASA-Headquarters nach Washington eingeladen wird (werden muss?). Hier muss man nun Vorbereitungen für Weiteres treffen.



Ich lasse mit Hilfe meines Teams die anderen internationalen Teams um 17 Uhr zur Cafeteria des Space Camps einladen, halte eine motivierende Rede und gehe mit Ideen auf die Schwachstellen aller internationalen Teams ein. Sie zeigen sich interessiert und verstanden. Alle erhalten von mir eine Einladung nach Leipzig und ich bin mir sehr sicher, dass sie dieser folgen werden.

Gegen 18 Uhr fahren wir nach Hause. Nun bin ich gespannt, was der nächste Tag bringt. Kann unser Team diesen Titel des Tages bestätigen? Um 1:30 Uhr MESZ werden wir es wissen.

Fotos: http://www.flickr.com/photos/spaceeducation/collections/72157620442564423/
Videos: http://www.youtube.com/profile?user=SpaceEducation#g/c/D43CCA12213F30AC

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