Samstag, 20. Februar 2010

Barbarossa und die russische Raumfahrt

Cyril Kosik
Moonbuggy Team Russland 2010
übersetzt von Ralf Heckel
www.spaceeducation.eu

Februar 17, 2010

Heute lud uns Ralf zu einer Exkursion an historische Stätten ein, wo Korolev lebte, arbeitete und sich erholte. Einer dieser Orte ist das Kyffhäuser Denkmal. Das ist ein Denkmal zu Ehren von Kaiser Wilhelm I. Er war der erste Kaiser des vereinten Deutschlands im vorletzten Jahrhundert. Das Denkmal steht auf dem Kulpenberg und auf der Burg Kyffhausen in Thüringen.

Wir mussten ein Stück fahren bis in das benachbarte Bundesland. Es lag Schnee und manchmal durchfuhren wir Frühnebelbänke. Ralf sagte ist in der Regel liegt der Schnee so lange nur in den Bergregionen. Der letzte Abschnitt der Straße führte über viele S-Kurven zum Berg hinauf. Ich habe keine Ahnung, wie Ralf so schnell auf den rutschigen und kurvenreiche Straßen da hinaufkommen konnte. Ich war ein wenig seekrank.

Schließlich erreichten wir das Denkmal. Es ist ein hoher Turm mit einer Krone oben drauf. Auf einem Podest steht das Reiterstandbild Wilhelms I. Unter dem Turm ist eine steinerne Statue von Friedrich Barbarossa. Sie sitzt auf dem Thron des Kaisers des Römischen Reiches im XII Jahrhundert. Vor Barbarossa lagen große, rote Felsen durcheinander. Über Barbarossa wird eine Sage erzählt. So ist er nicht tot, sondern schläft nur in einer Höhle unter der Burg. Er steht wieder auf wenn Deutschland wiedervereinigt wird. Uns so sitzt er nun seit etwa 110 Jahren hier.

Das heutige Wetter war ungewöhnlich sonnig für Deutschland (PS: durch die meisten russischen Filme über unser Land wird der russischen Zuschauer auf ein verregnetes Deutschland geprägt, Regen in Deutschland entspricht deren Erwartungen, dagegen ist Sonne ungewöhnlich für sie) . Überall hängt Rauhreif auf den Bäumen. Glitzernder Schnee bedeckt die gesamte Burg. Selten also kann man das Denkmal so sehen. Alle Treppen waren mit Schnee und Eis bedeckt. Das Begehen war nicht einfach. Von oben aus kann man das ganze Tal sehen. Es gibt eine schöne Aussicht auf die Umgebung. Ich bewunderte das Panorama für einen Euro durch das Fernrohr.

Hier haben wir unsere erste inszenierten Fotografie gemacht. Wir bestiegen Barbarossa so wie unsere Vorfahren vor 64 Jahren. Svyatenko stand auf der Stelle von Natalia Koroljow, Zakutin - auf dem Platz von Frau Gaidukova, ich stand hinter ihnen auf dem Platz von Sergej Pawlowitsch. Stefan nahm die Stelle von Frau Vintsentini ein (Koroljows Frau).

Dann gingen wir wieder runter und stiegen durch ein Loch im Zaun. Aus der Nähe mach Barbarossa den Eindruck eines majestätischen und weisen alte Königs, der dösend auf seinem Thron sitzt. Ich habe das Gefühl, als habe er mit dem Schnee eine weiße Decke übergezogen.

Am 7. Juni 1946 kam Korolev mit seiner Familie und Freunden hier her. Sie kletterten triumphierend durch ohne Leiter auf Barbarossa, stellten sich dort hin und machten ein Foto. Aber sie kannten nicht die wahre Geschichte des Denkmals. Der Name Barbarossa war berüchtigt unter dem Namen "Operation Barbarossa" durch Hitlers Armee. Im Jahre 2008, also 62 Jahre später, organisierte Ralf eine Reise für Natalja Sergejewna nach Deutschland. Sie brachte auch das Foto mit. Seitdem, so Natalia, hat sich das Denkmal nicht verändert. Sie machten eine zweite Generation von Fotos an dieser Stelle. Auf der Fotografie ist zu sehen: Ralph und Yvonne Heckel, Maria und Natalia Koroljowa, Professor Zotov und Demin (MAI/IMBP). Nach diesem Besuch haben viele Menschen in Russland die wirkliche Sage von Barbarossa erfahren und dass sie nichts mit den Plänen von Hitler zu tun hat. Sein Name wurde nur zu Propagandazwecken missbraucht.

Ich wische noch ein wenig den Schnee von Barbarossas Bart. Wir machen dann weitere Bilder. Eines auf der Terrasse neben Kaiser Wilhelm. Hier sind ebenfalls prominente Persönlichkeiten vor 62 gewesen. Ein kleiner Jungs auf dem historischen Foto ist der erste Sohn vom großen Ryasanski. Sein Enkelsohn Sergej ist heute Kosmonaut. Stefan nimmt seine Stelle ein. Ich stehe auf Barnim´s Platz, Die beiden Jewgeni´s unterhalten sich wie Sergey Pawlowitsch und Gaidukow.

Auch stiegen wir auf dem anderen Ende des Denkmals eine Treppe hinauf. Das war nicht einfach, denn sie war voller Eis und Schnee. Nach einem Foto wie vor 64 Jahren rutschten wir dann wieder hinunter. Das machte Spaß. Dann gab es Souvenire zu kaufen.

Der Rückweg entlang der Serpentinen war drei Mal länger. Vor uns fuhr ein LKW. Ein Überholen war unmöglich. So blickte ich nachdenklich über die umliegenden Berge und Wälder. Endlich auf der Autobahn angekommen setzten wir unsere Reise zum dem nächsten Punkt auf unserer Reiseroute fort.

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Freitag, 19. Februar 2010

Bleicherode und Institut Rabe

Evgeniy Svyatenko
Moonbuggy Team Russland 2010
übersetzt von Ralf Heckel
www.spaceeducation.eu

17. Februar 2010

"Als mein Vater nach Deutschland kam, sind bereits unsere Spezialisten seit dem 23. April 1945 dort. Im Sommer dieses Jahres wurde das Institut "Rabe" (RAketenBau und-Entwicklung)) in Bleicherode bei Nordhausen gegründet, wo er neben sowjetischen und deutschen Raketeningenieuren arbeitete. Der Chef wurde Major Tschertok ... ... Ende September erschien dort zum ersten Mal SP Korolev. Wer ist er und wieso kommt er aus Berlin? BE Tschertok wusste das nicht, erinnert sich aber an das erste Treffen und sagt: Es war ein Treffen für das Leben "
"Vater, Band 2 "Natalia Koroljow. Kapitel 14.




Wir wussten nur, dass sich Tschertok an diese ersten Sekunden der Bekanntschaft mit Koroljow erinnert. Mehr ist uns nicht bekannt. Sergej Pawlowitsch saß lange Zeit in Straflagern. Also war er wie jeder andere Mensch nach der Freilassung darauf bedacht, die neue Freiheit auch emotional auszuleben. Ich kann mir gut vorstellen, dass dies vor allem durch rasanten Fahrten mit guten deutschen Autos möglich war. Es gibt heute noch den Brems-Parkplatz in der Nähe des Hauptgebäudes des Instituts Rabe. Korolev kam mit quietschenden Bremsen und driftenden Rädern dort zum Stehen. Tshcertok war sofort aufgesprungen, um aus dem Fenster zu schauen. So hat Ralf es uns erzählt, als wir am Gebäude des Institutes hielten. Es steht im ersten Band von BE Tschertok „Menschen und Raketen".

Dort angekommen erwartete uns Dr. Toast. Er zeigte uns die Fenster, hinter denen sich das Büro von Tschertok befand. Heute ist das Hauptgebäude absolut leer. Wir fragten Dr. Tost was damit jetzt passiert. Es stellte sich heraus, dass man es für nur 10 000 Euro kaufen könnte. Verglichen mit dem Moskauer Preisen ist das sehr preisgünstig. Das sind ca. 400 000 RUB.

Wir haben dann Fotos aus drei Generation zusammen mit dem Buch „Vater" von Natalia Koroleva gemacht. Zuerst ist das historische Fotos aus 1946, dann der Besucht von Natalia Koroljow 2008 und nun wir. Im ehemaligen Institut Nordhausen gab es ein Geschäft namens „Südharz". Es ist jetzt etwas flacher. Betreten können wir es nicht, es ist in privater Hand.



Es sind viele Villen um das Hauptgebäude des Institutes Rabe, wo früher die Ingenieure gelebt haben. Jetzt gibt es dort einen Kindergarten.

Dr. Toast skizzierte Pläne des historischen Vereins "Institut Rabe", um das Haus mit ihrer großen Geschichte wieder zu beleben. Aber sie haben überhaupt kein Geld dafür. Unter ihnen befinden sich keine Raketenwissenschaftler. Es sind ganz gewöhnliche Menschen, die ihre Gemütlichkeit auch behalten wollen. Darüber beklagte sich Dr. Tost.

Ralf fuhr uns weiter zur Villa Franka. Historische Fotos von der Fassade dieses Gebäude gibt es in keinem Buch, aber es gibt ein Foto von Innen mit zahlreichen bekannten sowjetischen Raketenwissenschaftlern des späteren OKB-1. Dieser Raum existiert noch heute.



Als Tschertok nach Bleicherode gegen Ende Juni 1945 kam, ging er zum Bürgermeister der Stadt auf der Suche nach Wohnraum. Er bekam die schönste Villa der Stadt mit einem Kessel im Keller, so dass das Haus immer warmes Wasser hatte. Vorher hatte Tschertok noch nie fließendes heißes Wasser in der Wohnung.

In seinem Buch "Raketen und Menschen" beschreibt er, als er in dieses Haus ging und den ganzen Luxus sah, dachte er: "Jetzt beginnt ein neues Leben." Im März zuvor wohnte in diesem Gebäude für ein paar Wochen Werner von Braun. Für uns ist das Gebäude heute geschlossen. Der Besitzer war nicht da und so konnten wir das ehemalige Offizierskasino und Wohnhaus vom Boris Jewsejewitsch nicht von Innen sehen. Also machten wir schnell Fotos und fuhren zum Haus in welchem die Familie Koroljow wohnte. Natalia Koroljowa sagte mit eigenen Worten zu Ralf: „Hier verbrachte ich die schönste Zeit meiner Kindheit."



Ralph fand das Haus vor zwei Jahren lediglich anhand der alten Fotografie im Buch und kam wenig später mit der Tochter von Sergej Pawlowitsch hierher. Während dieses Besuches konnten sie nicht mit dem Besitzer des Hauses sprechen. Also gingen sie zum Nachbarn, wo sie erfuhren, dass die Frau des Besitzers vor kurzem gestorben war. Man wollte deshalb nicht stören.



Heute öffnete sich die Tür. Der Mann war sehr nett und ließ uns in das Haus. Es tat ihm leid, dass er gerade einen neuen Fußbodenbelag einklebte. So konnten wir nur in den Flur und das Treppenhaus. Für den überraschten Besitzer waren die historischen Fakten seines Hauses überwältigend. Er wusste nicht, dass hier der Konstrukteur des Sputniks und der heutigen Sojus-Raketen lebte, obwohl er schon seit vielen Jahren darin lebt. Er sagte, dass ihm seine Frau erzählte, wie sie als Kind gemeinsam mit einem russischen Ingenieur im Haus lebten. Da wäre im Sommer auch einmal ein kleines Mädchen gewesen. Das kann nur Natalia gewesen sein.

Nur wenige Menschen in Bleicherode wissen von der tiefgehenden russischen Raumfahrtgeschichte und ihren Anfängen hier. Es war damals eben alles Geheim – und das setzte sich in der Zeit der DDR fort. Vieles musste so in Vergessenheit geraten. Für uns war es sehr traurig, dass sich Frau Koroljow und die Frau des Hausbesitzers nicht mehr kennenlernen konnten. Dennoch – ohne Ralfs gründliche Arbeit und die Bemühungen seines Instituts aus Leipzig wären weder Natalia Koroljowa noch wir heute hier und könnten darüber vor dem 50. Jahrestag von Gagarin darüber berichten.

Unser letzter Haltepunkt in Bleicherode ist das Café «Waldhaus Japan». Dort gab es Feste für russische und deutsche Ingenieure in einem großen Saal. Der Name Japan hat eine interessante Geschichte. 1790 kaufte William Müller ein Forstgrundstück und baute ein Haus darauf. Freunde besuchten ihn dort und er schenkte immer etwas zu Essen und Trinken aus. Irgendwann sagte er zu seinem Weber Friedrich Krumbein: "Du bist erste Wirt hier oben!". Das war eine großartige Idee und am 23. August 1791 erhielt Müller die Erlaubnis ein Restaurant zu eröffnen. Friedrich Krumbein war sehr rührig und ging zu einer Auktion nach Leipzig. Dort ersteigerte er die wunderschöne handbemalte Tapete aus der Konkursmasse eines Fürsten. Diese hängt heute im Saal. Es sind Motive aus dem Jahre 1835.



Der jüngere Sohn Krumbeins wurde Seemann und reiste viel, vor allem nach Ostasien und Japan. Als er von den Reisen zurück kam, musste er immer erzählen – und am liebsten tat er das über Japan. Und so nennte man ihn im Ort bald „Den Japaner" und das Haus in dem er wohnte das „Haus Japan".

Nun, das alles ist ein andere Geschichte. Wir hegen in das Restaurant. Es ist gemütlich eingerichtet. Ralph etwas sprach mit der Frau an der Bar und fragte nach dem Saal. Uns wurde sofort geöffnet. Der Saal ist nicht isoliert und wird auch nur selten beheizt, so wurden die Türen mit warmen Decken verhängt. Aber Innen ist es fürstlich eingerichtet. Da ein Kronleuchter aus Kristall - die Luft in diesem Raum ist mit dem Gewicht des Altertums gefüllt. An den Wänden befinden sich noch im selben Tapete von Fredrich Krumbein seit der Auktion vom Jahre 1835. Eines der Fragmente erwies sich als ein Satyr mit sich tummelnden Nymphen. Ein kleiner Teil des Bildes wird gerade Restauriert. Er ist in Arbeit.

Hier saßen im Jahre 1948 die deutschen und russische Raketeningenieure mit Tschertok und Koroljow zusammen. Unsere Ingenieure veranstalteten eine Abschlussveranstaltung und sagten, dass morgen früh ein Zug nach Moskau fährt. Wer mitkommen möchte, muss in aller Frühe fertig sein. Die meisten Ingenieure weollten ihre Familien ernähren und saßen bereits seit Wochen auf gepackten Koffern - und so "jagte SP alle über die Bahnschwellen nach Moskau".

Die Frau sagte, dass vor mehr als 15 Jahren hier ein alter russischer Mann mit zitternden Händen herkam und viele Fragen stellte. Für uns war klar, dass sie nur Boris Tschertok gemeint haben kann. Nach dem Fall der Mauer kam 1992 eine kleine fremde Reisegruppe aus Moskau in diese Stadt. Die alten Herren spazierten durch die Straßen von Bleicherode, inspizierten Häuser und erzählte den ahnungslosen Leuten etwas von Raketeninstituten aus der Vergangenheit dieser Stadt von denen sie keinen blassen Schimmer hatten. Sie sahen in ihm einen Verrückten. Nur ein paar alte Leute konnten sich im Kreise der Familie an einige russische Ingenieure erinnern. Und so entwickelte sich nach langen Jahren der Geheimhaltung auch in Bleicherode ein mühsames Interesse an diese wichtigen Momente in der Geschichte dieser kleinen Stadt.

Ich kann Natalia Koroljowa nun ganz verstehen, wenn sie in ihrem Buch schreibt: „Es war die schönste Zeit meiner Kindheit", denn hier ist es beschaulich, ruhig und schön. Hier könnte man Urlaub machen. Ralf schlägt vor, das leerstehende Gebäude des Institutes Rabe in ein schönes Wohnheim für russische Studenten und Raumfahrtingenieure mit Museumseinrichtungen umzuwandeln. Hier kann man in der Abgeschiedenheit und auf den Fundamenten russischer Raumfahrt auftanken - besser als in Alushta, dessen Zustände nicht mehr zeitgemäß sind. Es würde die Beziehungen der Ingenieure beider Länder wieder vertiefen. Aber sicher ist das noch ein langer Weg.

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Mittelbau Dora

Evgeniy Zakutin
Moonbuggy Team Russland 2010
übersetzt von Ralf Heckel
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Heute machen wir eine Exkursion zur Gedenkstätte Dora-Mittelbau. Es war ein Konzentrationslager der SS in der Nähe der Stadt Nordhausen. Das Lager befand sich am Rand der geheimen Produktion der Raketenwaffen V2, die vom deutschen Ingenieur Werner von Braun entwickelt und als "Vergeltungswaffe" genutzt wurden.

Am Eingang des Lagers halten wir an. Wir konnten dort aber nicht mehr anfahren, die Straße war eisglatt. So mussten wir den Wagen anschieben. Nachdem das geschafft war, mussten wir Stefans Auto anschieben. Schnell verließen wir die Autos und stürmten die Eisglatte Straße zurück zur Reisegruppe. Diese war schon auf dem Gelände unterwegs. Wir kamen auf der abschüssigen und glatten Straße ganz schön in das Rutschen.




Zusammen mit einem Fremdenführer gingen wir in die ehemalige Fabrik Mittelwerk GmbH. Dies war die größte unterirdische Fabrik welche in einen Berg gebaut wurde. Am Ende des Krieges versuchte unsere Rote Armee die Stollen in die Luft zu sprengen. Aber das gelang nicht so richtig. Die Luft entweichte über Belüftungsschächte und so ist ein Großteil der Anlage noch erhalten. Dann sprengte man alle Eingänge zu und somit blieb das ganze Gelände fast 50 Jahre unangetastet. Dennoch arbeitete sich der Gipstagebau in dieser Zeit sehr weit an die Stollen heran und so brachen einige Tunnel durch die Sprengungen ein. Arbeiter sammelten Teile von den Raketen. 1989 beschloss die Stadtverwaltung Nordhausens noch in der DDR die Tunnel für Besucher zu öffnen. Das wurde nach der Wiederverinigung aber zunächst einige Jahre auf Eis gelegt. Man grub dann einen neuen Zugangstunnel im Jahre 1996.

Im Tunnel wurde es dunkel und es war eine schwere feuchte Luft. Mich beeindruckten die unmenschlichen Bedingungen der Arbeit hier unter Tage. Hier war die Produktion der V-2-Raketen in vollem Gange. Im Inneren haben wir einen erhaltenen V2 Raketen-Motor gesehen.

Während der Tour erklärte uns Ralf viel über die Geschichte und interne Struktur der Anlage, über diejenigen, die sie gebaut und wie es funktioniert hat. Mehr als zwanzigtausend Häftlinge starben während der Tunnelarbeiten. Wir sahen eine Menge Steine, verrostete Metalle, beschädigte Produktionsanlagen, Reste eines Förderkarrens, verschiedene Ventile und Treibstofftanks. Nach dem Stollen Nr. 45 die Nummer 44.



Überall lagen hier viele alte Kreisel, die einmal für Raketen verwendet wurden. Nun sind sie teilweise mit Wasser geflutet. Das waren nur zwei von hunderten Produktionsstollen. Die Anlage muss wirklich sehr groß gewesen sein. Wernher von Braun war auch ab uns zu Gast hier, überwachte die Herstellung der Raketen. Der Hauptsitz seiner Konstruktionsarbeit blieb aber im Raum Peenemünde. Nach dem Verlassen des Tunnels sind wir von dem hellen Sonnenlicht geblendet. Die Beleuchtung im Tunnel war die gleiche wie vor 65 Jahren während des Krieges.

Wir verabschiedeten uns von Stefan und gingen zu einem Museum. Cyril und Ralf gingen etwas essen. Ich setzte mich mit Jewgeni in ein Kino mit historischen Filmen über den Krieg und die Produktion. Im Museum sahen wir die Original-Protokolle vom Start der V-2 in Peenemünde. Ich war dann aber sehr überrascht, an einer Tafel hingen zwei Arbeitsausweise. Es waren ein russischer Junge und ein Mädchen, die im Lager weniger als einem Monat lebten. Persönliche Gegenstände lagen in der Nähe einer der russischen Gefangenen. In der Lobby sahen wir uns verschiedenen Bücher und die Bedeutung der Aufnäher und die Zahl der Gefangenen an. Unser Besuch geht zu Ende. Auf dem Weg zum Auto nehmen wir viele Eindrücke über das Lager und was mal hier war mit.

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Retter Müller, Rohre und Familie Heckel

Evgeniy Svyatenko

Moonbuggy Team Russland 2010

übersetzt von Ralf Heckel

www.spaceeducation.eu

15. Februar 2010

Der Montag ist bekanntlich der schwere Tag. Ich stehe 7 Uhr auf, es ist nicht einfach und ich bin noch müde. Es gibt Müsli und Kaffee und dann geht es an den Arbeitsplatz. Wie haben viele zu biegen, schneiden, fräsen, schleifen und polieren. Am Morgen beginne ich Teile zum Schweißen vorzubereiten. Das Abmessen der richtigen Stelle ist nicht einfach. Da kam Retter Müller zur Hilfe und hat ein tolles Werkzeug dabei, welches mir die Arbeit erleichtert. Nun geht es viel schneller und bequemer. Master Miller hilft uns wirklich viel, vielen Dank dafür. Dann bearbeite ich alles noch am Schleifstein und bin im Prinzip fertig.

Dann arbeiten wir weiter an den Teilen zur Gewichtsreduzierung. Wir gehen allein zum Mittag, essen und warten noch auf Ralf. Er versucht den Zuständigen Mann für die Wasserschneidmaschine zu erreichen. Der ist aber krank. Auch Ralf kommt nicht zum Mittag. Als wir in die Werkstatt zurückkommen, war Ralf schon da und fragte: „Hat das Essen geschmeckt?". Stefan setzte seine Fräsarbeiten fort. Der ganze russische Teil des Teams geht mit Ralf zum Zuschnitt für neue Rohre. Sobald wir die Werkstatt verlassen, kam plötzlich ein bärtiger Mann herein. Es war der Vater von Ralf. Er wurde fröhlich vom Meister Müller begrüßt und beide unterhielten sich viel. Sie waren beide weit zu hören.

Dann gingen wir los. Wir sind uns nicht einig, wie wir das Fertigen der Gährungsschnitte nun machen sollen, um eine Position zu haben. Noch vor der Säge mit dem Rohr diskutierten wir darüber. Letztendlich beschlossen wir den Vorschlag von Ralf anzuwenden. Er malte eine weiße Linie mit dem Marker auf die gesamte Länge des Rohres. So soll es später einfacher sein, die Rohrenden in der richtigen Position anzusetzen.

Aber anscheinend wusch die Bohrmilch den Strich weg. Es war schwierig noch eine Linie zu sehen. Zunächst schlug Ralf vor, zu einem Winkelmesser zu nutzen. Auch hier kam dann die Hilfe von Meister Müller. Er lieh uns einen sehr genauen Winkelmesser. Der war in einer Holzkiste mit ausgefrästem Inlay aus Samt. Mit diesem Goniometer war es ein wenig einfacher. Als Markierungen für den Schweißer machen wir Kerben mit Feile und Säge.

Dann fertigt Ralf ein spezielles Werkzeug zur Demontage des Rohloff-Getriebes. Er nimmt es auseinander uns weist uns in die komplizierte Technik ein. Auch nach 5000 Meilen sind die Innenteile des Getriebes wie neu. Aber ein Umbau ist notwendig. Es muss ein Kettenschutzring gefertigt werden. Diese Arbeit vertrauen wir mit unserer Zeichnung dem Meister Ronny Hessel von der Dreherei Günther Jacob an.

Am Abend gibt es im Hostel ein Abendessen mit Ralfs Eltern. Seine Mutter hat einen Kürbiskuchen gebacken, mit getrockneten Pflaumen und Aprikosen. Jeder fragte nach Nachschlag. Dann bekamen wir eine Kürbis-Suppe zum probieren. Auch diese war köstlich.

Galerie:

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Achter Tag - Besuch bei Koroljows

Cyril Kosik
Moonbuggy Team Russland 2010
übersetzt von Ralf Heckel
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Februar 16, 2010

Heute fahren wir zuerst in ein Stadtviertel von Leipzig wo eine kleine Fabriken im Hof eines Hauses ist. Wir besichtigen diese Dreherei. Die Werkstatt ist sehr interessant. An den Wänden des alten Hauses sind moderne Maschinen. Wir sprechen mit dem Meister, bekommen einige Teile für das Moonbuggy und fahren dann weiter.




Wir erreichen das Betriebsgelände der Firma Heiterblick. Hier werden Straßenbahnen für die Stadt hergestellt. Die Halle ist geräumig, sauber und gut geheizt. Zusätzlich zu den neuen Straßenbahnen restauriert man hier 6 alte Straßenbahnen von vor 100 Jahren. Diese haben zwar noch dasselbe Aussehen von damals, bekommen aber alle eine moderne Steuerung und Elektronik wie jede moderne Straßenbahn.



Nach dem Erreichen unserer Fabrik fangen wir sofort an zu arbeiten. Wir bekommen jeder eine Drehmaschine und eine detaillierte Einweisung. Wir müssen nun jeder je 6 Teile produzieren. Da kam sogar der Inspektor Dr. Grieser, kontrollierte unsere Arbeit und sprach etwas Russisch. Er beobachtete, wie wir an den Maschinen arbeiten und unterhielt sich Ralph. Er gab Ralf Prüfungsbögen in deutscher Sprache und zog sich in sein Büro zurück. Während des Mittagessens lösen wir die Aufgaben der Prüfung. Ralph, Max (ein russischer Lehrling aus unserer Werkstatt) übersetzten das Wesentliche der vielen Fragen.




Zurück in der Werkstatt setzen wir die Arbeit fort. Ralf und Jewgeni (Svyatenko) fahren nach Hause und machen einen Elektronik-Kurs für die Telemetrie. Wir Genia (Zakutin) und Stefan bleiben da. Genia und ich schleifen die Tretsäulen. Stefan bearbeitet die Rohre für das Chassis auf der Fräsmaschine. Dann ist unser Arbeitstag auch schon zu Ende. Ralf holt uns früher ab.




Heute Abend haben wir einen besonderen Gast zum Abendbrot. Es ist Frau Alla Krylova, die Cousine des Sputnik-Konstrukteurs Koroljow. Wir unterhalten uns lange mit ihr. Sie erzählt uns von Koroljow, seiner Familie und der Arbeit. Dann sprachen wir über das Leben in Deutschland und in Russland und die Ereignisse in der Welt. Es ist sehr interessant und ungewöhnlich mit einer Person wie Frau Krylowa zu sprechen. So etwas ist bei uns kaum möglich.

Fotos:
Dreherei Wittenbecher:
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Heiterblick:
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BTZ:
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Alla Krylova, die Cousine von Koroljow:
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Karneval in Leipzig

Cyril Kosik
Moonbuggy Team Russland 2010
übersetzt von Ralf Heckel
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Februar 14, 2010

Heute ist Sonntag. Am frühen Morgen gehen wir zum Brunch im Café "Hundertwasser». Das Essen ist mit 7,99 Euro nicht teuer, sehr köstlich und davon gibt es soviel man will. Ich habe mich richtig satt gegessen. Nach dem Frühstück MachTen wir im Clara Zetkin Park einen Spaziergang. Der Park ist nicht sehr groß, hat kleine Bäume, aber es ist ein Teich mit Enten und Kormoranen in der Mitte. Ich ließ die Gedanken ein wenig streifen, schaute den Enten zu und ging weiter durch den Park.

Dennoch haben wir viel Arbeit und so gehen wir nach Hause. Heute ist der 14. Februar und da fallen so einige Feiertage zusammen. Heute ist: russische Fastnacht, Chinesisches Neujahr, Valentinstag und Karneval in Leipzig. So gegen 15 Uhr beschliessen wir in die Innenstadt zu gehen, um uns den Umzug anzusehen. Dies scheint wohl in allen Städten Deutschlands heute zu sein.

Karneval ist viel Spaß auf den Straßen von Leipzig. Es Fuhren viele Autos mit Anhängen. Auf den Anhängen wurde Musik gespielt und Standen verrückte Leute drauf. Jedes Fahrzeug präsentiert eine Schule oder Verein. Die Menschen in den Autos oder auch Deren Begleiter werfen eine Menge Bonbons und Pralinen herum. Es waren Massen da, fast alle kamen in Tracht oder mit bemalten Gesichtern. Wir gingen auf den Marktplatz. Dort Standen auf dem Rathaus die Menschen dieser Veranstaltung wichtigsten. Auf dem Marktplatz Standen Buden daten aus Würstchen und heißer Wein verkauft wurde. Viele trinken Bier, hören Musik und haben Spaß.


Nach der Besichtigung des Karnevals erkundeten wir zu Fuß weiter die Stadt. Vor der Kirche St. Thomas Schlug ich vor, mal hinein zu gehen. Es ist Jene Kirche in welcher Johann Sebastian Bach auf der Orgel gespielt hat. Ein Bach-Denkmal Befindet sich bereits am Eingang der Kirche. Da war eine Steinplatte auf dem Fußboden mit der Aufschrift "Bach". Das ist sein Grab. An den Wänden und rund um das Grab sind Porträts aller Superintendenten der Stadt. Sie wurden im Jahr 2003 aufgehängt. Die gotische Kirche hat durch ihre Hohen Bogen, filigranen Schnitzereien und Spitzbogenfenster beeindruckt. Die Akustik in der Kirche einfach erstaunlich und ich spüre, daß ich die Orgel und den Chor hören muss. Vielleicht gehen wir am Freitag wieder hier ihr, um ein Konzert zu besuchen.

Wir gehen dann zum Leipziger Hauptbahnhof. Der Bahnhof wurde vor etwa 100 Jahren gebaut. Er ist groß und wird durch ein Shopping Center in zwei Untergeschossen und ein Parkhaus Darin ergänzt. Die Haupthalle des Bahnhofs hat exakt die Form und Größe der Titanic. Das Erdgeschoß ist in Höhe der Wasserlinie. Die Bauten über dieser "Wasserlinie" und darunter entsprechen genau der Höhe und dem Tiefgang. Aber das wissen nicht sehr viele Leute in Leipzig. Wir trinken einen Kaffee und besichtigen einen der Hochgeschwindigkeits-Züge. Dann gehen wir zurück.

Als wir zum Auto zurückkommen beginnt es dunkel zu werden. Ralf fährt uns in die Sternwarte Waden-Institut. Wir führen einen Umweg und hielten am BMW-Werk ein. Wir konnten aber nur von Außen hineinschauen. Weil heute Karneval ist, ist die Halle leer. Aber die Roboter können alles allein produzieren und das mit voller Geschwindigkeit. So muss die Produktion nicht gestoppt werden. Es war eine Szene wie im Film "Terminator".


Dann erreichen wir die Sternwarte. Heinrich Schultz hat diese Sternwarte selbst gebaut. Das ist einfach unglaublich. In seinem Garten baute er zwei Jahre lang eine 2-geschossige richtige große Sternwarte. Er goss das Fundament mit 25 Tonnen Beton, mauerte selbst die Steine, baute die Kuppel aus Glasfaser und baute natürlich auch das Fernrohr. Den 30 cm-Spiegelt mit einer Parallaxe hat er selbst geschliffen - ein halbes Jahr lang und mit der Hand. Heute hat er eine gemessene Genauigkeit von 20 Nanometer. Das Teleskop kann von der Warte aus, von Seiner Wohnung und von der Ferne aus elektronisch gesteuert werden. Dabei macht Henri Aufnahmen von Sternen, Planeten und Galaxien. Es werden die Zielobjekte automatisch erfasst und digital entgegen der Erdrotation verfolgt. Es war neblig und bewölkt, aber wir sind noch in der Lage den Mars zu sehen. Der Mars ist schön, ist aber dann kaum noch zu sehen. Ich bewundere Henry, der so lange und hart für ein Ziel gearbeitet hat. Es war sehr schön mit IHM zu sprechen und seine Sternwarte zu sehen.

Der Tag heute war ungewöhnlich reich, als wir nach Hause kommen. Yvonne hat schon das Abendessen Aufgetischt. Ich gehe schnell schlafen, denn morgen geht es wieder auf Arbeit.

Galerie:
Café 100 Wasser:
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Clara Zetkin-Park:
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Karneval:
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Bach:
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SEI-Sternwarte:
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Mittwoch, 17. Februar 2010

Alles dreht sich

Stefan Martini
Moonbuggy Team Germany 2010
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Borsdorf, 15.2.2010

Nach einer kurzen Nacht im SEI-Hostel und einem schnellen Frühstück machen wir uns um 8 Uhr auf zum Berufs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer zu Leipzig. Hier haben meine Moskauer Teammitglieder in der letzten Woche bereits tatkräftig ihren Mann gestanden. Für mich ist es der erste Tag in diesem Zentrum und deshalb wird es ein außergewöhnlicher und ereignisreicher Tag werden.

Ich bin vor 4 Jahren in das SEI eingetreten, um vor genau 3 Jahren den ersten internationalen Moonbuggy zu bauen. Die Umstände unter denen wir damals konstruierten sind mit den Möglichkeiten dieses Zentrums heute nicht mehr zu vergleichen. Wir standen vor einem weißen Blatt Papier und wussten nicht wo wir anfangen sollten. Eine Werkstatt hatte das SEI damals noch nicht. Wir schraubten und sägten in einem verfallenen Schuppen und auf dem Hof. Ein Bautunnel gab uns etwas Schutz vor dem Schnee und dem Abriss der ehemaligen Grünen Schänke. Mir frohren die Finger fast ein und von CAD-Design hatten wir damals noch keine Ahnung. Ich war vor Überarbeitung chronisch müde und mir schmerzten die Hände nach jedem Arbeitstag. Ich war jung und hatte keine Ahnung auf was ich mich einlassen würde. Aber die reizvolle Erwartung auf das was folgen wird und nicht zuletzt der starke Teamgeist trieben uns damals an. Es waren wahre Pionierjahre und ich erinnere mich gern daran.

Konstruieren 2007 / 2010

Heute ist alles anders. Ein riesiges Berufsbildungszentrum öffnet alle Tore. Die Hallen sind warm. Es stehen überall Maschinen von denen wir damals nur träumen konnten. Es ist alles da! Ich kann mich frei bewegen und muss nicht mehr mühsam mit den Gelben Seiten und dem Telefonhörer in der Hand nach möglichen Partnern suchen. Die Leute sind alle sehr nett und zeigen mir alles was ich wissen will. Das Team hat einen seit 3 Jahren kampferprobten und immer wieder verbesserten Moonbuggy vor sich. Sie können sich auf Details konzentrieren. Auch ist der Buggy viel komplizierter geworden.
Moonbuggy bauen 2007/2010

Ich muss mich in filigrane Getriebe einarbeiten, in die Technik der Telemetrie und Softwareauswertung, in Berechnungen, Analysen und das Konstruieren mit professioneller Ingenieurs-Software. Ich sehe mir den Buggy an und versuche die Veränderungen zu verstehen. Dabei stelle ich mit etwas Stolz fest, dass sich die Grundkonstruktion des Rahmens nicht wesentlich verändert hat. An allen Hauptteilen des Rahmens hängt auch noch mein Schweiß mit dran. Wir haben damals also solide Arbeit geleistet. Ich muss an demselben Teil mit meiner Arbeit beginnen, an welchem ich vor 3 Jahre aufhörte, den Tretsäulen. Meine Aufgabe ist es nun, diese bei selber Stabilität leichter zu machen.

Als wir am Zielort ankommen finden wir eine nahezu leere Werkhalle vor. Nur der Meister Müller und ein Lehrling sind vor Ort. Alle andern sind in einer pädagogischen Schulung und sollen erst später wiederkommen.

Nachdem wir die neuen Einzelteile von Herrn Wittenbecher aus dem Auto geladen, geht es an die Arbeit. Zunächst muss ein Überblick verschafft werden. Also setzen wir uns zusammen an Jewgeni Zakutins Notebook und besprechen anhand der CAD-Vorlage welche Sachen heute wie bearbeitet werden sollen.

Ich übernehme die Aufgabe Löcher in die Tretsäulen des Buggys zu fräsen ohne jemals vorher an einer Fräsmaschine gearbeitet zu haben. Jedoch ist die Rettung nah. Meister Müller „nimmt mich bei der Hand", führt mich zur größten Maschine im Raum und weist mich in die Bedienung des Geräts ein. Er fräst das erste von 11 Löchern, die ausschließlich zur Gewichtseinsparung dienen.

Anschließend überlässt er mir die Arbeit und steht mir kontrollierend sowie beratend zur Seite. Es ist erstaunlich leicht die Löcher akkurat zu bohren dafür ist das Verstellen der schweren Maschine umso anstrengender. Meine ungeschulten Hände bekommen bald erste Schwielen. Doch mit der Zeit ist auch das kein Problem mehr zumal mir nun auch einige von den zurückgekehrten Auszubildenden unter die Arme greifen.


Die Zeit vergeht wie im Flug und bevor ich die Löcher fertig senken kann gehen die ersten Azubis bereits Mittagessen. Ich will aber meine Arbeit beenden. Also bleibe ich noch bis ich fertig bin und warte auf unsere russischen Teammitglieder die ebenfalls ihre Arbeit beenden wollen.

Nach der Stärkung geht es weiter mit der anderen Tretsäule. Auch hier müssen Löcher zur Gewichtsreduzierung eingebracht werden. Dank der Übung geht es nun schneller von der Hand – Übung macht eben den Meister. Nachdem auch an dieser Tretsäule alle Löcher ihren Platz gefunden haben, geht es mit weiteren Aussparungen am Fuß des Teiles weiter. Aufgrund der Verwinkelten Struktur des Teiles an dieser Stelle ist es manchmal schwer das Werkstück einzuspannen. Auch sind es nun keine runden Löcher mehr, sondern Aussparungen nach Zeichnung. Das ist anspruchsvoller und man muss den Kopf zusammen nehmen.

Diese Konzentration hält an bis Mitternacht – bis zum Schreiben der Tagesberichte.

Am Ende des Tages falle ich erschöpft ins Bett. Wir haben heute so einiges geschafft. Trotzdem muss man sagen, dass es noch ein recht weiter Weg bis zur Vollendung des Moonbuggys ist. Letztendlich gibt es, auch wenn man denkt man ist fertig, noch zahlreiche Möglichkeiten das Buggy zu verbessern. Wir werden sie finden. In den letzten Jahren haben wir kaum auf Gewicht geachtet. Es ging um das Herausfinden der Stabilität und der Grundfunktionen. Jetzt wird nach jedem Gramm Gewicht gefahndet und Jewgeni kann mit seinem Notebook vorab exakt sagen, wie viel Gewicht mit welchem Arbeitsschritt gespart werden kann. Auch kann er die einmal digitalisierten Teile nun in verschiedenen Werkstoffen berechnen lassen. So wäre eine Ausführung aus Aluminium erstrebenswert. Der Computer schlägt dann ergänzende Streben vor.

Ich habe aber erst 3 Stunden beim Bedienen dieses Programmes über die Schulter geschaut und dabei festgestellt, dass ich noch viel nachzuholen habe.

Fotos:
http://www.flickr.com/photos/spaceeducation/sets/72157623317248091/







Kein Tag wie jeder andere


Stefan Martini
Moonbuggy Team Germany
http://www.spaceeucation.de/

Borsdorf, 16.2.2010

Der Tag beginnt genau wie gestern. Jedoch war ich anfangs noch verschlafener als gestern, was sich jedoch bald ändern soll. Nachdem wir gefrühstückt haben, fahren wir zunächst entgegen meiner Erwartungen zur Dreherei Wittenbecher. Hier war ich das letzte Mal ebenfalls vor drei Jahren. Trotzdem erkennt Herr Wittenbecher mich sofort. Die Firma müsste eigentlich unter Denkmalschutz gestellt werden. Nicht weil sie veraltet ist, sondern weil ihr integratives bis familiäres Konzept, welches in der Vergangenheit alltäglich war, sich bis heute gehalten. Und das ist sehr lebendig! Das besondere ist, dass die Firma im Hinterhof eines Mehrfamilienhauses liegt und der Inhaber somit nur aus der Tür fallen muss, um zur Arbeit zu kommen. Andere stehen stundenlang im Stau und produzieren nichts.



Im Anschluss geht es weiter zur Firma Heiterblick. Dort werden die Leoliner-Straßenbahnen hergestellt. Die Halle steht voll mit neuen Trams für Bielefeld aus denen armdicke Kabelbäume hängen. Mitarbeiter schließen Tausende von Kabelenden an ohne auf den Plan zu schauen. Dazwischen blinkt ein historisches Juwel, die letzte Pöstlingbergbahn aus Österreich. Sie ist etwa 100 Jahre alt und bekommt hier nagelneue digitale Eingeweide. Unter jedem alten Eichenholzfurnier funkeln verborgen für die Blicke der Fahrgäste nun Leuchtdioden und erledigen Schaltkreise die Arbeit der ehemaligen rostigen Drahtwindungen. Die Bahn sieht aus, als wäre sie gerade im letzten Jahrhundert vom Band gelaufen, mit einem Umweg über die Zukunft. Die Handarbeit und Erfahrung der Mitarbeiter hier ist einzigartig. Jeder Hohlraum, jedes verdeckte Loch und jede Strebe ist mit moderner Technik ausgefüllt und so erfüllt die gerade elektrifizierte Pferdebahn dieselben Sicherheitsstandards wie ein moderner ICE.

Danach machen wir uns dann gleich auf den Weg zum Ausbildungszentrum des Handwerks, um dort zu beenden was wir am Vortag begonnen haben. Auf der Hinfahrt schlägt Ralf vor, dass ich in die Dreherei Günter Jakob fahren könnte. Es müssen noch die Rohloff-Naben nachbearbeitet werden. Da ich inzwischen einen Führerschein besitze ist das kein Problem. Auch hier werde ich nach drei Jahren wieder erkannt. Ich beschreibe dem Inhaber Ronny Hessel anhand von Konstruktionsskizzen was wir uns vorstellen und übergebe ihm die Teile.

Zurück im BTZ mache ich mich dann gleich wieder an die Tretsäulen. Es müssen erneut Aussparungen für die Gewichtsreduzierung gefräst werden. Im Anschluss daran gibt uns Ralf eine neue Aufgabe. Wir sollen je sechs Hülsen auf der Drehbank modifizieren. Es sind Distanzhülsen vom Hauptrahmen. Also lässt sich jeder von uns an den Drehbänken einweisen und schon geht es los. Ich mache das nun zum ersten Mal in meinem Leben! Es ist gar nicht schwer und macht mir Spaß. Es ist unglaublich: Nun stehen vier Moonbuggy-Teammitglieder in den blauen Raumanzügen in einer Reihe mit ihren Drehbänken in der Produktionshalle und produzieren Moonbuggyteile in Kleinserie. So etwas hätte ich mir vor 3 Jahren nie träumen lassen. Die fertigen Hülsen werden dann gleich getestet und bewertet. Ein Herr Dr. Grieser erkundigt sich beim Lehrmeister Müller und bei Ralf über die Qualität und nimmt alle Werkstücke auch selbst in Augenschein. Am Ende könnte ein Zertifikat der Handwerkskammer.


Kaum sind wir mit der Aufgabe fertig ist auch schon wieder Mittag. Heute suche ich mir überbackene Putenbrust aus und dazu etwas Gemüse. Nach dem Essen packt Ralf dann einen umfangreichen Fragebogen für einen test auf den Tisch. Die Fragen sind unterschiedlich anspruchsvoll und ich kann sie in der Hälfte der Zeit lösen, sodass ich zuversichtlich bin.

Danach geht es erneut an die Arbeit, nachdem wir alles überflüssige Material entfernt haben, entgrate ich die Kanten. Anschließend fräse ich in die Rohre für den hinteren Rahmen des Buggys eine Durchdringung. Hier kostet mich das einstellen der Maschine wieder die meiste Zeit. Sind erst einmal die Parameter festgelegt, kann man dann alle Teile relativ schnell nacheinander bearbeiten. Man muss nur noch Entgraten. Damit sind die Schweißbaugruppen fertig.

Heute machen wir etwas eher Schluss da wir zum Abendessen einen Gast erwarten. Es soll die Cousine des Sputnik-Konstrukteurs Koroljow in unser Institut kommen. Frau Krylowa lebt seit 10 Jahren in Leipzig und ich bin aufgeregt. Sie ist eine sehr herzliche und fröhliche ältere Dame welche sich sofort mit unseren russischen Teammitgliedern in ein lebhaftes Gespräch stürzt. Trotz der Tatsache dass ich nahezu nichts verstehe lausche ich dem Gespräch gespannt zu. Der Raum ist zum Anfassen voll mit Raumfahrtgeschichte aus erster Hand gefüllt. Kein Film und kein Buch kann das ersetzen, was man aus einem solchen privaten Treffen mit in das Leben nimmt. Die Stimmung ist gut und nimmt kein Ende. Ich habe den Eindruck, dass vor allem meine russischen Teamkollegen ergriffen sind. Sie sprechen mit einer Ikone der russischen Raumfahrt fern von ihrer Heimatstadt. Sie sagen, dass so etwas in ihrem land undenkbar wäre. Nach 2 Stunden ergreift uns die Müdigkeit und wir verabschieden uns.

Somit geht ein langer fordernder Tag zu Ende der meine Fähigkeiten in vielerlei Hinsicht erweitert hat. Das wird in meiner Zukunft bestimmt viel Wert sein.

Fotos:

Wittenbecher:
http://www.flickr.com/photos/spaceeducation/sets/72157623324651967/

Heiterblick:
http://www.flickr.com/photos/spaceeducation/sets/72157623324656453/

BTZ:
http://www.flickr.com/photos/spaceeducation/sets/72157623449310332/

Dienstag, 16. Februar 2010

Siebenter Tag - Fräsen

Cyril Kosik
Moonbuggy Team Russland 2010

übersetzt von Ralf Heckel
http://www.spaceeducation.eu/

Februar 15, 2010

Heute ist Montag und wir sind wieder am Arbeiten. Wir haben wie üblich gefrühstückt und hasten mit Moonbuggy-Teilen in das Auto und zur Firma. Jetzt werden die Pläne vom Wochenende umgesetzt: wir bearbeiten die vorhandenen Teile an der Fräsmaschine. So entstehen Sparbohrungen in den Tretsäulen. Laser-Teile für die Hinterachse werden für die Wasserstrahl Maschine vorbereitet. Leider aber ist der Facharbeiter dieser Abteilung krank. Dennoch beginnen wir endlich mit der Montage. Dann wollen wir herausfinden wie man die hydraulischen Bremsen einpassen könnte.

Jewgeni (Svyatenko) und ich bereiten die Schweißbaugruppen für morgen vor. Vor allem müssen die späteren Schweißnähte gesäubert und angezeichnet werden. Stefan arbeitet an der Fräsmaschine. So eine Maschine ist eine feine Sache. Jewgeni (Zakutin) arbeitet weiter an der CAD-Konstruktion. Er ist schon ganz blaß und bekommt nun Farbe, als er seine entworfenen Sparbohrungen wenige Schritte entfernt auf der Fräsmaschine entstehen sieht.

Dann stellte sich ein Montagefehler heraus. An der Hinterachse ist der Sturz von 8 Grad, nicht richtig eingehalten worden. Ein Rad läuft in seiner Spur schief. Ich muss zurück ins Lager gehen und neue Rohre zu schneiden. Die habe ich dann in die Werkstatt getragen und mit Markierungen versehen. Leider ist kein Schweißer mehr da und wir müssen damit bis morgen warten.

Dann zerlege ich mit Hilfe von Ralf ein Rohloff-Getriebe. Wir müssen dazu extra ein Spezialwerkzeug selbst herstellen. Das andere Getriebe schraubt Stefan auf. Aus beiden Getrieben fließt etwas Öl heraus. Einige Teile davon sollen zur Dreherei von Ronny Hessel und dort umgearbeitet werden. Anschließend schrauben wir das neulich zerlegte Differenzialgetriebe wieder zusammen. Es besteht zwar aus über 100 Einzelteilen, aber die Montage ist logisch und geht leicht von der Hand.

Während wir all das getan haben verging der Arbeitstag wie im Flug. Wir haben heute viel Zeit in die Korrektur von Fehlern investiert. Ich hoffe wir haben noch genug Zeit den Moonbuggy vor der Rückkehr nach Moskau fertig zustellen.

Galerie:
http://www.flickr.com/photos/spaceeducation/sets/72157623317248091/