Donnerstag, 22. April 2010

Rückkehr nach Europeij

Ralf Heckel
International Space Education Institute
www.spacepass.de

über dem Atlantik, Delta 24, 21. April 2010

Diese Reise gab es in der gesamten Geschichte der Luftfahrt noch nicht und wir waren ganz vorn dabei. Wir saßen im letzten Flieger, der wegen des Vulkanausbruchs über dem Atlantik umdrehen musste und sitzen nun fünf Tage später im ersten Flieger, der wieder in einen freigegebenen Luftraum nach Europa startet. Über 15.000 Reisende sitzen noch in Atlanta fest und manche müssen noch weitere 7 Tage ausharren, um einen Platz in einem Flugzeug zu bekommen. Wir haben dank genügend Erfahrung und Intuition alles richtig gemacht.

Glaubt man der in der Presse aufgewirbelten „Vulkanasche", so müsste uns jetzt ein Europa wie das antike Pompeij erwarten, nur noch schlimmer und weiter verbreitet. Deshalb auch die Wortwahl „Europeij". Es gibt so viele Parallelen von der Unbelehrbarkeit über die Ohnmacht bis zur Fehleinschätzung aus Übermut und auch Feigheit. Zwar erwarten wir nun kein Europa unter einer Ascheschicht, aber dennoch ist es nicht mehr das, was wir kannten.

Die Wirtschaft ist in ihrem Glauben als Herr über die Natur tief erschüttert worden. Die Politik hat verfehlt, weil sie glaubte, die Natur und das Wetter wie eine Mathematikaufgabe per Computerspiel prognostizieren zu können: „Schachmatt!" Der Umweltschutz ist gar ganz still geworden, angesichts der wohl über Jahrzehnte uneingeplanten CO2- und Feinstaub-Emissionen sowie dem so urplötzlich und ungeplant dahin geschmolzenen Gletscher. Die Verantwortlichen der Flugsicherung verstecken sich hinter großen Tönen und fadenscheinigen Erklärungen. Niemand hat den Mumm zuzugeben, dass man einfach nichts wusste und deshalb die Hosen voll hatte. Das Prinzip der Oberkontrolle der Behörden hat in diesem Fall versagt und ist im Schreibtisch-Kompetenzgerangel auf der Strecke geblieben. Unter dem Siegel der weitaus vernünftigeren Selbstbestimmung und –einschätzung von Fluggesellschaften und Piloten wie in der USA, hätte es diesen totalen Blackout mit all seinen schmerzlichen Nachwirkungen nicht gegeben.

Was bleibt ist die Herausforderung, mit feinsten Glaspartikeln in der Zukunft umzugehen. Sie sind gefährlich und ich freue mich schon auf erste Innovationen auf der ILA. Glasstaub ist auch eine Alltagssorge eines jeden künftig auf dem Mond arbeitenden Menschen. Dort besteht der Mondstaub ausschließlich aus feinsten scharfkantigen Glaspartikeln und ich mache mir Gedanken, wie wir das an einem Moonbuggy in den Griff bekommen könnten.

Dabei faszinieren nicht nur mich die schönen Bilder des ausbrechenden Vulkans als sehr seltenes Naturschauspiel. Da ist die dicke sich wälzende Rauchsäule, da sind die Lavafetzen wie aus der Entstehungszeit der Erde und da sind die elektrostatischen Entladungen mit ihren grellen Blitzen vor dem Schwarz der Apokalypse.

Die Schönheit der Natur ist in der Engstirnigkeit im Bedacht auf die Herstellung der gewohnten kleinen Ordnung untergegangen. So kopieren die Journalisten den unaussprechlichen und kaum merkbaren Namen des Vulkans weiterhin per „Drag&Drop" in ihre Texte. Ich möchte ihnen einfach die Fähigkeit absprechen, je auch nur einmal diesen Namen allein und ohne Hilfe aus der reinen Erinnerung schreiben zu können. Ich habe es versucht und auch nicht geschafft. Jeder Wirbelsturm, jedes Wettersystem, jeder Taifun bekommt über eine jahrelang gehegte Liste einen leichten und griffigen Namen. Niemandem ist bisher eingefallen, dem Vulkan auch einen liebevollen Spitznamen zu geben. Ich nenne ihn „Erik". Das klingt nordisch, spitzbübisch, nach Eroberung und fängt auch mit „E" an.

Ich will nun die Ereignisse der letzten 5 Tage bezüglich dieses Naturgeschenks wiedergeben. Da gibt es drei Prioritäten wenn man strandet:

ständigen Zugang zum unbegrenzten Internet finden
für einen fahrbaren Untersatz sorgen
nach einer Unterkunft umsehen

Es zeigt, wie wichtig die Kommunikation geworden ist. Mein kleiner Laptop ist ein tragbares Büro mit kostenlosem Telefon und Bankschalter. Von allen Punkten der Welt (mit Internet) kann ich unbegrenzt telefonieren, Überweisungen tätigen, das Hostel und Termine steuern und jegliche Art von Dateien versenden. Alles weitere kommt erst danach – inklusive der eigenen Versorgung mit Nahrung.

So wurden die fünf ungeplanten Zusatztage zu einem Geschenk, denn wir konnten den Space Shuttle landen sehen. Das ist ein äußerst selten erfolgreiches Ereignis. Die Arbeit konnte zwar anders aber dennoch fast ungehindert weitergehen. Etwas Sonne und Meer gab es gratis.

Nur die Politik der deutschen Flugsicherung erschwerte dies alles. Instinktiv buchte ich einen Anschlussflug erst 5 Tage nach unserer Strandung, während alle anderen Passagiere an ihre kurzfristige Abreise glaubten. Sie sitzen nun alle nicht in diesem Flieger und müssen noch weiter ausharren. Die Flugzeuge sind einfach alle voll und zuerst werden jene bedient, die diese Flüge gebucht haben. Ein Atlantikflug ist kein Urlaubsflieger nach oder von Mallorca. Hier werden riesige Maschinen mit 7 Sitzreihen benutzt. Mit solchen Adlern kann man nicht so eben mal auf Sicht unter 3000 Metern fliegen oder ohne eingehende Ausreisekontrollen einen Haufen Urlauber abholen.

Viel Kopfzerbrechen verursachte deshalb die Unsicherheit, wann es denn nun weitergeht. Auf welchen Flieger buche ich meine Rückkunft, wenn ich nach Ablauf von 24 Stunden erfahre, dass das Flugverbot wieder um einen Tag verlängert wurde. Das könnte ja Wochen so gehen.

Als dann am Dienstag nach der Landung des Space Shuttles auch der vor unserem Termin liegende Delta Flug Nr. 24 abgesagt wurde, schmiedeten wir bereits weitere Ersatzpläne. Denn im Falle der Streichung unseres Fluges mussten wir mit einer signifikanten Verlängerung unseres Aufenthaltes rechnen (mindestens 7 Tage).

Diese Prioritäten wurden festgelegt:

-maximale Kostenreduzierung (Rückgabe Auto, Privatunterkunft)
-Rückkehr nach Huntsville
-sofortige Aufnahme weiterer Aufgaben oder gar Zwischenjobs
-Ausloten von weiteren Alternativen einer Rückkehr

Der letzte Punkt war am interessantesten. Wie kann man ohne Flugzeug aus Amerika nach Europa reisen? Wir recherchierten bei Frachtschiffgesellschaften nach Mitfahrtgelegenheiten. Ich hätte zusätzlich als Maschinist, Mechaniker oder im Falle eines Kreuzfahrtschiffs als Assistent des Cruzdirektors anheuern können. Schade eigentlich, dass daraus nichts wurde.

Am Mittwoch morgen, dem 21. April klingelt früh um 3:30 Uhr der Wecker. Wir packen das Auto, checken aus und lassen um 3:52 Uhr das Cape Canaveral bei strömenden Regen hinter uns. Wir müssen spätestens bis 13:07 Uhr am Mietwagenterminal in Atlanta sein, ansonsten kostet der Wagen mehr. Vor uns liegen 400 Meilen mit einem Zeitfenster von 8 Stunden. Das ist etwa die Entfernung Berlin-Gardasee. Danach folgen 9 Stunden Flug nach Düsseldorf und noch mal 4 Stunden Autofahrt nach Leipzig.

Schon in der ersten halbe Stunde müssen wir wechseln. Die Fahrt im Regen strengt an und die Müdigkeit holt uns ein. Bei Jacksonville stellen wir das Auto ab und schlafen eine Stunde. Es wird hell und die Sonne kommt heraus. Wir gehen deftig frühstücken. Nun geht es besser, aber es darf nichts mehr dazwischenkommen, keine Baustellen, keine Polizeikontrollen, keine Panne. Gerade in Georgia ist das nicht einfach. Hier ist die zugelassene Höchstgeschwindigkeit gerade mal 70 MPH (ca. 115 km/h). Da ist nicht viel drin mit schneller fahren. Wohl braucht die Polizei hier besonders viel Geld und steht nicht selten mit ihren Autos im Dickicht neben den Fahrstreifen. Wenn erst einmal ein Schnellfahrer gesichtet wird, dann kommen sie angeflogen wie im Film mit buntem Blitzlichtgewitter, Suchscheinwerfer und Hirschfänger.

Der Verkehr vor Atlanta wird dichter. Nun bloß keinen Fehler zwischen den vielen Fahrspuren, Abfahrten und Hochstraßen machen! Ich hatte mir aus diesem Grund vor 5 Tagen den Pfad unserer Fahrt aus dem Flughafengelände in das Handy getippt und markante Wegpunkte vermerkt. Das hilft nun. Exakt um 13 Uhr wird der Scanner über den Mietwagen gezogen und wir sind ihn los. Es war ein gutes Auto.

Ich hatte im Flughafen ein Chaos erwartet. Aber nichts von dem erwartet uns. Alles läuft gediegen ab. Eine kleine Schlange vor den internationalen Schaltern ist zu sehen. Sie ist viel kleiner als die reguläre Warteschlange im JFK-Airport von New York. Wir checken problemlos ein. Unser Gepäck wird im Computer des Hochregallagers gefunden. Wir haben ein Ticket und können es kaum glauben.

Das System der Fernbuchung per Telefon oder Internet ist gut durchdacht. Kein Passagier irrt hier ahnungslos und entnervt wie im Pariser Flughafen „Charles de Gaulle" durch die Hallen. Es hält alle Passagiere fern, die auf einem Flughafen wegen ausgebuchter Flugzeuge nichts zu suchen haben. Ich bin beeindruckt.

Wir durchlaufen mit unserem Handgepäck die Sicherheitskontrollen. Ab jetzt spielt sich ein Deja-vu ab. Das alles haben wir vor 5 Tagen schon einmal erlebt, dennoch fühlt man als wären Wochen vergangen. Wir schließen uns unserer gewohnten Routine an: lecker Hühnchen süßsauer vom Panda-Express, ein Kaffee und dann zum Gate. Wieder werden wir mit Tara vorgelassen. Sogar die Crew und das Flugzeug sind die selben. Nur die Passagiere kenne ich nicht. Der Fluggast, dem wir vor 5 Tagen aushalfen, sendet eine SMS. Er hofft in 3 Tagen nach Hause fliegen zu können.

Gegen 16:40 Uhr hebt die riesige Boeing 767 vom International Airport in Atlanta ab. Zurück bleibt ein Traum von einer Abenteuerreise auf einem Frachtschiff über dem Atlantik und die Erinnerung an eines der letzten Großraumschiffe welches mit Flügeln landete. Im Gepäckfach über uns ist der Pokal des Weltmeisters im NASA-Moonbuggy Race. Wir überfliegen als erste die Gefahrenzone, welche unseren Kontinent vorübergehend lahm legte.

Mittwoch, 21. April 2010

Die Landung der Discovery

von Ralf Heckel
International Space Education Institute
www.spaceeducation.de

(Erlebnisbericht Space Shuttle Start:
http://www.spacepass.de/essay/Discovery.pdf )

Fotos: http://www.flickr.com/photos/spaceeducation/sets/72157623771726735/

Die Aschewolke des Vulkans über Island zwingt uns seit 3 Tagen am Cape Canaveral zu verweilen. Im Moment ist das noch ein sehr angenehmer Tausch. Ich feiere Geburtstag ohne Geburtstagsgäste (es gab Rock-Schrimps in zerlassener Butter), arbeite mit Yvonne die Ereignisse der letzten Tage auf, korrigiere Schülerberichte, bereite neue Termine vor und nutze die übrige Zeit für ein Bad in Atlantik. Das alles klingt eigentlich recht verlockend, wären da nicht die ca. 130 Euro Mehrausgaben pro Tag (Mietwagen, Motelzimmer, Verpflegung ohne eigene Küche). Diese sind im hiesigen Maßstab noch gering, aber nicht eingeplant. Das Loch auf hauchdünner Decke muss in den nächsten Monaten mühsam wieder erarbeitet werden. Niemand ersetzt das.

Seit Sonntag Nachmittag bereite ich mich auf de Landung der Discovery vor. Zweimal haben wir sie als NASA-VIP´s starten und einmal auf dem Rücken einer Boeing über das Cape Canaveral fliegen sehen. Aber eine Landung aus dem Orbit miterleben zu dürfen, ist ein Sechser im Lotto. Die möglichen Landefenster erstrecken sich über zwei Tage. Nur als letzte Option wählt die NASA die in Kalifornien liegende Edwards Airforce Base. Dort scheint fast immer die Sonne, aber der Rücktransport auf einer Boeing kostet auch etwa 1 Mio Dollar.

Vom „Fliegen" des Space-Shuttle-Flugsimulators kenne ich die Gegend mit der Landebahn recht gut. Also schaue ich mir die Karten auf Google Earth noch einmal genauer an und entdecke eine dünne Straße am Nordende der 4,5 km langen Landebahn. Diese Straße führt durch den Wildpark auf der Merrit-Insel und mündet in die Bundesstraße 520 nach Titusville.

Noch am Sonntag-Abend nach dem Geburtstagsessen mache ich mich mit Yvonne los und erkunde die Gegend. Tatsächlich ist diese Straße befahrbar für den öffentlichen Verkehr. Rings um uns herum ist Wildnis. Waschbären, Gürteltiere und Alligatoren schleichen durch das Gebüsch. Pelikane und Kormorane schauen aus den Baumwipfeln zu. Es ist kaum zu glauben, dass hier eine der kompliziertesten Maschine der Menschen landen soll. Da ist nirgends Leuchtfeuer, Polizei mit Absperrungen oder eine Traube von übereifrigen Umweltschützern. Man kann einfach so hinfahren. Niemand vermutet, dass hinter dem Gestrüpp die einzige Landebahn der Welt ist, welche exakt der Krümmung der Erde angepasst ist (das macht auf 4,5 km ganze 2 cm Höhenunterschied zur Horizontalen aus).

Wir halten an und glauben uns im Urwald. Nach den Zeichen auf Google Earth müsste die Landebahn jetzt 200-300 Meter von uns entfernt liegen. Ein ganz kleiner unscheinbarer Sandweg führt in das Dickicht mit einem Schild „Betreten bei Strafe verboten". Überall zirpen Grillen und unkt das Getier. Wir fahren zurück und erschrecken beim Blick auf den Tacho. Wir haben über 100 Meilen auf dem Tacho, nur um einmal das Kennedy Space Center vom Süden nach Norden seitlich zu umfahren. Es nimmt etwa einen Raum ein wie Halle und Leipzig zusammen, gigantisch!

In der Nacht noch stelle ich den Laptop etwas umständlich neben dem Fenster auf. Da gibt es einen etwa 30 cm-Bereich in welchem ich gerade noch ein freies WLAN-Netz von einem entfernt liegendem Hotel empfange. Ich lasse die Twitter-Seite von NASA geöffnet. Draußen regnet es in Strömen.

Am Montag gegen 6 Uhr wache ich zusammen mit Tara auf und schaue zuerst auf die Webseite. „Landung abgebrochen". OK, jetzt kann Tara ihre Milch bekommen. Der folgende Tag besteht aus Wetterprognosen am Cape und den Veröffentlichungen der Einflugschneisen des Space Shuttles. Zwar gibt es ein offizielles Presseprogramm aber niemand sagt: „Hier entlang geht es zum Lande-Erlebnis". Zunächst erscheint das im Land der Perfektion für Publikumsvorführungen unwirklich, aber bereits der Flugplan verrät, dass eine kommerzielle Führung zur Landung zwecklos ist. Es gibt zwei Flugpläne für Florida und drei für Kalifornien. Dazwischen liegen über 48 Stunden Autofahrt, für den Shuttle gerade 15-20 min. Jeder Flugplan sieht die Ankunft es Shuttles aus über 200 km Höhe aus einer anderen Richtung vor. Es werden je nach Länge des Wiedereintrittes größere oder kleinere S-Kurven geflogen. Am Ende ist eine Schleife über der Landebahn.



Also geht es wieder früh zu Bett, um am Dienstag morgen frisch zu sein. Diesmal klingelt der Wecker noch vor dem Morgengrauen. Es ist 5:30 Uhr und noch dunkel. Die Crew schnallt sich gerade an, also ist es höchste Zeit abzufahren. Aber der Flugdirektor im NASA-TV zögert. Es ist Nebel in der 30 Meilen Zone um die Landebahn.

Um 6:12 Uhr fahren wir los und holen an der Tankstelle schnell noch einen French-Vanilla-Kaffee. Um 6:28 Uhr mache ich den letzte WiFi-Check neben der Lobby des Best Western Hotels. Dann dämmert es, Wolken zeichnen sich am Horizont im Osten ab. Der Deorbit Burn (entscheidendes Bremsmanöver) ist laut Twitter nicht erfolgt. Er hätte 6:26 Uhr sein müssen. Also plant man noch eine Erdumrundung und will den zweiten und letzten Versuch für Florida unternehmen.

Es ist 6:40 Uhr. Wir fahren am Indian River rechts ran, betrachten Sonnenaufgang, der sich hinter einer Wolke über Port Canaveral versteckt. Ansonsten ist blauer Himmel. Als die Sonne über die Wolken steigt, wird es unerträglich heiß. Wir fahren weiter bis zum Norden auf die bereits vorgestern ausgespähte Straße und lassen uns Zeit.

Gegen 8 Uhr befahren wir das Gelände des Wildparks in der Nähe der Landebahn und beziehen Stellung. Keine 8 min später fordert uns ein netter Ranger auf, weiterzufahren. „Mist".

Es gibt kein Internet und kein Mobilnetz. Wir wissen nichts über die Vorgänge im Orbit. Gegen 8:18 Uhr steigen plötzlich Hubschrauber und Jets auf und Drehen um unsere Position. Wir drehen mit und fahren langsam „kampfbereit mit Fotoaparat" die mysteriöse Straße auf und ab.

Zuerst sind wir allein. Doch dann folgen Kolonnen von verschiedenen Fahrzeugen mit Antennen auf dem Dach und Leuten mit Fotoapparaten drin. Überall kommen sie auf dieser einsamen Straße her, als ob sie aus irgendwelchen Erdlöchern im Sumpf kriechen. Ich interpretiere, das der Deorbit Burn erfolgt sein muss. Die Zeit (etwa 1 h vor geplanter Landung) stimmt.

Der Ranger hat zu tun und fordert alle nacheinander auf, sich an eine naheliegende Kreuzung zu begeben. Der Shuttle würde nicht von dieser Seite hereinkommen, sondern aus dem Süden. Zuerst glaube ich ihm nicht. Dann sagt er aber, dass es durchaus sein kann, dass die Bremsen oder der Fallschirm versagen. Der Shuttle würde ungebremst über die Rollbahn hinausschießen und genau hier ein Chaos verursachen.

Sofort weichen wir auf die empfohlene Kreuzung aus. Dort versammeln sich bereits Schaulustige mit „Kind und Kegel". Gemessen an der Menge der Zuschauer beim Start sind dies sehr wenige. Aber alle wollen ein Erlebnis teilen – zu den letzten und auserwählten einer Generation zu gehören, die ein Raumschiff mit Flügeln landen sahen. Das hier ist keine Routine wie der Luftverkehr und wird für sie meisten hier nie wieder vorkommen.

Wir haben das Auto gerade abgestellt, da erschüttert ein lauter Doppelknall aus dem Himmel die Zuschauer und das umliegende Wildgetier. Es ist 9:04 Uhr. Der Shuttle hat in den dichteren Luftschichten mit seiner noch mehrfachen Schallgeschwindigkeit die Schallmauer durchbrochen. Alles scheut nach Süden. Zu hören sind aber nur die über dem Gelände kreisenden Begleitflugzeuge. Ein Shuttle ist nicht zu sehen. Alle stellen sich auf die Silhouette und damit automatisch auf die trägen Bewegungen eines Flugzeuges ein.

Da schießt ein dunkler Punkt aus der Höhe. Wie ein Stein fällt dieser herab und formt sich zu einem Flugzeug mit schwarzen Flügeln. Das ist die Discovery. Sie ist noch ganz klein und wird schnell größer. Der Sinkflug ist immer noch rasant. Ich habe das alles vielleicht 15 Sekunden im Auge, setze die Kamera mit maximalen Zoom an und mir gelingt gerade ein Foto. Dann richtet sich die Nase des Shuttles steil auf und schon verschwindet alles hinter den Baumwipfeln. Das war alles. Es folgt kein Geräusch, keine Triebwerke und überhaupt ist nichts zu hören, bis auf die Frösche im Sumpf.

Die Leute steigen in ihre Autos und verschwinden so schnell wie sie gekommen waren. Nach 5 Minuten sind wie wieder allein in der Wildnis.

So landet ein Space Shuttle am Cape Canaveral. Danke "Discovery". Wir werden wiederkommen und Dich besuchen, im Museum. Und dann können wir dieses Erlebnis dazu legen, unseren beiden Kindern und allen Schülern davon berichten

Den Rest des Tages verbringen wir mit Besuchen m Kennedy Space Center und dessen Bildungszentren. Man erkennt uns wieder, ist über die Erfolge in Huntsville im Bilde und verspricht uns 20 Plätze für den letzten Space Shuttle Start am 16. September diesen Jahrs:

Erlebnisbericht Space Shuttle Start:
http://www.spacepass.de/essay/Discovery.pdf

Fotos: http://www.flickr.com/photos/spaceeducation/sets/72157623771726735/

Dienstag, 20. April 2010

Flucht aus dem Chaos

von Ralf Heckel

International Space Education Institute

www.spacepass.de

17. April 2010

Wir schlafen aus und gehen gegen 10 Uhr zum Frühstück. Vorher lote ich die Situation im Frühstücksraum aus, während Yvonne Tara fertig macht. Viele Menschen haben die „Sky-Alliance" T-Shirts an. Also gehe ich direkt auf sie zu. Viele haben bereits mit der Fluggesellschaft telefoniert und haben angeblich neue Flüge für heute Mittag bekommen. Ich bin skeptisch und rate ihnen ab. Danach vergewissere ich mich am Computer, sehe mir aktuelle Wetterkarten an, werde noch skeptischer und rufe Delta an.

„Sie könnten ein Flugzeug frühestens erst am Montag bekommen." Ich frage, ob es auch noch spätere Flieger gibt. „Mittwoch ist erst wieder frei". Ich sage zu – und schon kommen die Emails mit den Bestätigungen herein. Yvonne ist überhaupt nicht dafür und schimpft. Jetzt aber möchte ich es ihr noch nicht erklären und denke weiter. Ich versuche mich in die Situation des Flughafens hineinzudenken. Was könnte als nächstes kollabieren? Hotelplätze? Mietwagen? Öffentlicher Verkehr?

Wir müssen uns unbedingt so weit wie möglich aus diesem Kessel entfernen. Die Kleingeschäftemacher „rasieren" uns hier mit anziehenden Preisen doch um Kopf und Kragen. Also wähle ich die Seite von Alamo-Mietwagen an und reserviere einen günstigen Kleinwagen bis zu unserem Abflug. Dann maile ich Herrn von Puttkamer an und frage nach Flugbewegungen am Cape Canaveral. Mir war noch in Erinnerung, dass am 5. April ein Space Shuttle gestartet war, habe aber keine Ahnung, ob der schon wieder gelandet ist. Er bestätigt sofort: „Discovery landet am Montag, 19.4;., morgens um 8:53 Uhr Floridazeit."

OK, dann ist das unser Ziel. Ich buche also sofort in unserem bekannten Hotel am Cape Canaveral zu einem Preis, den es in Atlanta bereits seit Mitternacht nicht mehr gibt. Im NASA-TV läuft eine Aufzeichnung der Rede von Obama am Vortage am Cape Canaveral. Er verkündet sein neues Programm für die Raumfahrt. Ich höre halb hin und verstehe, dass er nach der Rückkehr auf dem Mond mit Menschen auf einem Asterioiden landen will. Dann soll der Mars bis 2030 kommen. Kurz danach blendet man um auf die aktuelle Situation am Vulkan in Island. Es sind Weltuntergangsbilder. Mir blitzt ein Gedanke durch den Kopf: „Naturkatastrophe, europaweite Flugeinstellungen, offiziell verordnete NASA-Asterioidenlandung – das gibt unausweichlich Öl in das Feuer der Gläubigen am Armageddon im Jahre 2012". Wenn das nicht absichtlich zusammenpassen sollte – dann war die Rede gestern denkbar schlecht positioniert. Hoffentlich übertönen die aktuellen Ereignisse das Medienecho dieser Präsidentenrede noch eine Weile.

Im Frühstücksraum sind die meisten Gäste fertig. Die USA-Today titelt mit der riesigen Aschewolke. Viele der Gäste haben sich wieder beruhigt und glauben an ihren heutigen Rückflug. Ich sage offen, dass sie sich nichts vormachen sollen. Es gibt keine Flüge bis Montag. Aber ich bleibe ungehört. Gegen 10 Uhr verschwinden alle im Shuttlebus des Hotels. Gegen 12 Uhr machen wir uns gelassen in die Spur.

Auf dem Flughafen herrscht nun eine Situation wie erwartet. Sie ist so surreal. Lange Schlangen stehen an den internationalen Schaltern. Die Menschen sehen ratlos aus. Geschäftsleute in Schlips und Anzug knien neben Getränkeautomaten, um mit ihren kurzen Ladekabeln aus den letzten freien Steckdosen noch etwas Strom für ihre Handys zu bekommen. Sie telefonieren mit ihren teuren iPhones kniend, als würden sie einen Gott (oder den Cola-Automaten) anbeten. „So sieht Zivilisation aus, wenn sie aus dem Gleichgewicht gerät", denke ich mir und zeige es Yvonne. Sie erfasst langsam auch worin wir stecken und ist besorgt um Tara.

Meine einzige Sorge ist nur noch „Wo sind unsere Koffer?". Stehen sie mit den teuren Moonbuggyteilen ggf. unbeaufsichtigt neben irgendeinem Band? Aber auch an den Gepäckservicestellen stehen lange Schlangen. Ich nehme Tara auf den Arm und gehe bis ganz vor. „Bitte stellen Sie sich hinten an", heißt es. Ich bemerke, dass im Falle eines Babys das Recht gilt, dass dies umgehend abgefertigt wird und stelle meine Frage. Die Frau will mich noch einmal darauf hinweisen, dass alle auf ihr Gepäck warten. Ich sage ihr, dass ich das Gepäck gar nicht haben will – sondern will nur wissen wo es ist. Da erklärt sie mir, dass es automatisch sicher eingelagert ist und per ID-Code in mein nächstes Flugzeug geleitet wird.

Das genügt mir und ich bedanke mich.

Wir können die "Flucht" antreten und gehen auf direktem Wege zur Skytrain und den Rental-Car Stationen. Yvonne ist darüber nicht erfreut und zählt auf, was alles in den Koffern ist und was sie davon alles braucht. Ich kann ihr nun sagen, dass dies sich alles bis auf ihre Sonnencreme und meinem USB-Cardreader bereits im Handgepäck befindet. Sie kann es kam glauben. Wir haben alles bei uns, um zu "überleben".

Wie erwartet sind auch die Mietwagenschalter voller ratloser Menschen. Unsere Reservierung geschah heute morgen anscheinend im letzten Moment und deshalb lässt man uns durch. Wir hatten über eine US-Webseite gebucht und nun setzt uns die Mietwagenfirma noch 177 Euro Ausländerversicherung drauf. Das geht ins Geld – zumindest aber bekommen wir einen Vertrag für die reservierte Economy-Klasse, der kleinste Kleinwagen. Mit allen Flugkoffern hätten wir da nicht hineingepasst.

Das Parkhaus scheint recht leer. Die Mitarbeiterin dort entschuldigt sich, dass die Economie-Klasse bereits nicht mehr verfügbar ist. Sie bietet uns aber an, einen größeren Wagen zum selben Preis zu nehmen. Na das ist doch auch mal eine gute Nachricht. Wir können uns einen Wagen aussuchen und entscheiden uns für einen weißen Chevi.

Bild: Jacksonville/Florida in der Abendsonne, der Atlantik ist erreicht, nun nur noch etwa 200 Meilen

Um 15 Uhr treten wir die Flucht aus dem Wahnsinn von Atlanta an und steuern in Richtung Süden. Nach 6 Stunden Fahrt und einem 2-stündigen Yvonne-Einkaufsbummel erreichen wir die Space-Küste am Cape Canaveral. Es ist 23:30 Uhr und 20 Grad warm.

Ich habe am Sonntag Geburtstag, die Familie hier, besseres Wetter als zu Hause und freue mich auf die Landung der Discovery am Montag. Man muss im Chaos nur das Positive sehen.

Rückkehr ohne Ankunft - Vulkan gegen Moderne


von Ralf Heckel


International Space Education Institute


www.spacepass.de



17. April 2010



Unser Flug „Delta 24" kehrt in der Nacht zum 16. April nach 3 Stunden Flug über dem Atlantik um und landet 6 Stunden nach dem Abheben wieder im Atlanta. Seitdem beherrschen Bilder eines ausbrechenden Vulkanes mit einer riesigen schwarzen Wolke die Medien, Das war unser bisher größter Rundflug nach mehr als 70 internationalen Flügen in den letzten 8 Jahren. Es ist zugleich die zweite Flug-Strandung im Dienste der Space-Education in diesem Jahr. Die erste fand im Januar nach der Pleite der Fluggesellschaft "Blue Wings" statt. Ich saß im letzten Flieger der Gesellschaft und dann in Moskau fest. Das Geld für den Rückflug habe ich nie wieder gesehen. Am 19. Mai 2010 begint in Düsseldorf das Insolvenzverfahren. Nun sitzen wir in Atlanta und mir wird klar, dass die Moonbuggy-Schüler nicht zu ihren verdienten Artikeln eines stolzen Teams in den Medien kommen werden – jedenfalls nicht bis dieser Lärm abgeklungen ist.



Die Dichte dieser Ereignisse zeigen an welchem Limit wir mit unserer Arbeit angekommen sind. Ich bin mir sehr sicher, dass wir bis an diesen Punkt keine Nachfolger aus unserem Land haben – mit allen Ereignissen und Erfolgen die wir mit unserer Arbeit verbinden können. Zum Glück erzeugt das Ausbügeln dieser Unebenheit für uns keine Gesundheitsprobleme, Jobs oder Flensburger Punkte. Aber es kostet ein nicht eingeplantes Budget und erfordert ein sehr kluges und vorausschauendes Denken.



Nur die langjährige Erfahrung im Umgang mit im Grunde nicht vorhandenen Budgets, das damit einhergehende Improvisationsvermögen, das Können im Umgang mit Startverschiebungen des Space Shuttles während des Begleitens von Schülergruppen und die Möglichkeit der Fernsteuerung der wirtschaftlichen Eigenbetriebe unseres Vereines erlauben uns nun auf die europaweite Einstellung des Flugverkehrs mit Gelassenheit zu reagieren und im Grunde unsere Arbeit unbeeindruckt fortzusetzen. Ich will versuchen ein klares Bild der letzten 2 Tage wiederzugeben und damit auch Tipps für Betroffene hinterlassen.



Wir besteigen gegen 13 Uhr am 15. April 2010 in Huntsville/Alabama das Flugzeug der Delta Connection. Ich habe durch einen Anruf gegen 10 Uhr von einem sich zur Bedrohung entwickelnden Vulkanausbruch gehört, schnell noch das Internet durchstöbert und bin innerlich bereits auf Katastrophenmanagement umgestellt. Dabei war mir eine Erinnerung aus dem Jahre 1998 behilflich. Im Februar diesen Jahres erlebte ich die Folgen eines Schirokkos über der Sahara. Die Tausende Kilometer entfernten Kanaren waren fest im Griff einer bis zu 500 Meter dicken wabernden Staubschicht. Sie hielt sich über eine Woche und belegte alles mit feinstem Staub. Vulkanasche breitet sich weit höher und damit globaler aus. Ich vermute, dass dies unkalkulierbar wie das Wetter ist – auch die Länge des Ausbruches.



Ich will im Ernstfalle vorbereitet sein. Also schichte ich schnell noch die mühevoll gepackten Koffer ohne Yvonnes Kenntnis um. Alles was man nicht zum Leben und Arbeiten braucht, fliegt aus dem Handgepäck in die Flugkoffer zu den Moonbuggyteilen. Umgekehrt wandern wichtigere Dinge wie Ladegeräte, Adapter und eine Notausstattung an Kleidung in das Handgepäck. Eine Notration Babynahrung für die eigentlich geplante Autofahrt nach Leipzig ist auch dabei. Es ist nicht leicht, eine Balance zwischen den geforderten Gewichten und Volumen einzuhalten.



Ich befestige den kleinen USB-GPS-Logger des Moonbuggys mit etwas Klebeband an der Fensterscheibe des Flugzeuges und schreibe die Flugdaten mit. Draußen ist wolkenloser Himmel, scheint die Sonne und die Temperatur steigt auf 33 Grad. Niemand im Flieger glaubt in irgendeiner Weise, dass es ein Tag wird, der in die Fluggeschichte eingeht.



Ich kann am kleinen Display mitverfolgen, dass das Flugzeug bei 179 Grad (also Süden) mit 290 km/h abhebt, auf 6000 Meter steigt und mit 700 km/h seine Reisegeschwindigkeit einnimmt. Über Guntersville umfliegen wir die Ortschaften. Unten breitet sich der Stausee des Tennessee´s aus. Ich bin darüber sehr überrascht, denn die Änderung der Flugrichtung ist kaum zu spüren. Lediglich die Winkelanzeige ändert sich langsam auf dem Display. Nach etwa 10 min Flug beginnt der Sinkflug. Dabei nimmt die Höhe, aber nicht de Reisegeschwindigkeit ab. Ein paar Kurven werden geflogen und wir setzen mit etwa 300 km/h in Richtung 87 Grad (also Osten) auf. Mit noch etwa 100 km/h macht der Flieger eine scharfe Linkskurve, um die belebte Rollbahn zu verlassen. Wir kommen nach einigem Rollen mit 15-40 km/h über das riesige Flughafengelände am Gate C 41 in Atlanta zum Stehen. Yvonne hält meine Beobachtungen für Unsinn.



Beeindruckt von diesen Einblicken schalte ich den Logger wieder aus und wir begeben uns mit der kleinen Tara in das Gewühl des internationalen Airports von Atlanta. Dort scheint zunächst alles so wie bisher, als wir aber in den Terminal E für internationale Flüge kommen, stehen vor den Air France Schaltern bereits riesige Warteschlangen. Wir müssen uns beeilen und gehen nach einem kleinen Imbiss bei "Panda Express" (lecker chinesisch Huhn in süßsaurer Soße gebacken) zu unserem Gate. Auf dem Weg dorthin schauen wir noch einmal auf die Anzeigetafeln. „Verspätung um eine Stunde".



Nun gut, also ist noch Zeit für einen Kaffee. Wir setzen uns in eine kleine Loge auf dem Tereminal. Dort läuft CNN und ich habe ein Auge für die Nachrichten. „… bis zu 50 % aller Abflüge in Europa gestrichen, … größte Flugstilllegung seit 9/11, … Präsident Obama landet am Cape Canaveral." Mir wird klar, dass unser Flug nicht in Europa landen wird und ich will die Rede des Präsidenten am Cape sehen. Sie bedeutet Zukunft.



Dennoch nimmt die Routine im Alltagsgeschehen am Terminal wieder gefangen. Es geht zum Gate und recht schnell sitzen wir in der riesigen Boeing. Abermals befestige ich den GPS-Logger und stelle mich auf sehr interessante und recht seltene Flugdaten ein. Terry schreibt eine SMS und ist besorgt wegen des Vulkans. Ich scherze und antworte: „Keine Sorge, ich mache ein Foto davon und sende Dir die Flugdaten vom "Bypass". Dann ertönen die Anschnallzeichen und mit 320 km/h heben wir ab.

Bild: Yvonne mit Tara im Flug Nr. 24 von Delta-Airlines am 15.April 2010, am Fenster schreibt der GPS-Logger mit


Der Flug verläuft zunächst wie gewohnt. Wir erreichen eine Flughöhe von 9500 km und eine Reisegeschwindigkeit von 850 km/h. Die Daten stimmen mit den Monitoren im Inneren überein. Seit Halifax fällt mir auf, dass diese Monitore schon eine Weile keine Flugdaten mehr anzeigen. Ich schaue nun in kürzeren Abständen auf das GPS-Display. Zunächst behalten wir die Flugrichtung 90 Grad (also Osten) bei. Dann aber steigt diese Zahl ganz langsam an. Es ist im Flugzeug nichts zu spüren. Die Stewardessen verteilen wie gewohnt Essen und Kaffee. Bei etwa 270 Grad bleibt der Winkelmesser stehen. Dann wechseln wir langsam das Flugfeld und sinken bei selber Geschwindigkeit um 150 Meter nach unten. Mir blitzt es durch den Kopf: „Wir kehren um".



Ich arbeite weiter am Computer, jedoch wechsele ich die Themen und bearbeite nun meine Daten nach einer neuen Prioritätenliste. Es läuft bereits „Plan B". Noch glauben alle Passagiere inklusiv Yvonne, dass wir in Richtung Heimat fahren. Nach etwa einer halben Stunde sind die Stewardessen mit ihren Kaffeewägen verschwunden und es ertönt der Flugkapitän. Er erklärt in kurzen englischen Sätzen die Situation und dass wir in 3 Stunden wieder in Atlanta landen.



Nun ist Bewegung im Flieger. Die Passagiere sind in Aufregung. Ein Raunen hält in der gesamten Kabine an. Vielen fällt nun ein, dass sie auf Toilette müssen. Um keine Fragen offen zu lassen, schaltet die Crew nun auch wieder die Monitore ein. Darauf ist die ungewöhnliche Flugspur mit der bereits weit zurückliegenden Umkehr zu sehen. Die Passagiere realisieren, dass sie eine Weile an der Nase herumgeführt wurden und das trägt nicht zum ungebrochenen Vertrauen in die Fluggesellschaft bei. Diese Monitore werden nun oft fotografiert. Ich freue mich bereits auf meine aufgezeichneten Daten am Logger.



Jetzt kommt mir in den Kopf, dass wir für die Landung zu schwer sind. Nach kurzem Überschlag müssten wir mit noch 30-40% Treibstoff im Tank in Atlanta ankommen. Dieser muss unbedingt abgelassen werden, um die Struktur beim Aufsetzen nicht zu überlasten. Das Ablassen aber kann ebenfalls gefährlich sein. Über Berlin stürzte in den 80ger Jahren eine komplette Schulklasse ab, weil sich das abgelassene Flugbenzin durch die noch laufenden Turbinen entzündete. Ich beobachte die Silhouetten der Flügel über denen wir sitzen. Aber es ist kein Dunststreifen zu erkennen.



Es sind noch etwa zwei Stunden zur Landung, da sinkt der Flieger auf etwa 6000 m und wird dennoch kaum langsamer. Ich realisiere, dass der Pilot den Treibstoff in den dichteren Luftschichten bei erhöhtem Luftwiderstand verbrennen will. Über den Bergen von Virginia dreht er dann eine große längliche Schleife. Sie nimmt etwa 20 min in Anspruch und ist exakt rund an den Umkehrungen. Wir werden etwas in den Sitz gedrückt. Es scheint eine Warteschleife zum Zweck der Freihaltung des Luftraumes über Atlanta und zum Abbau von Treibstoff zu sein. Ich rechne mit und komme aber nur auf noch etwa 20% Treibstoff über dem Normal.



Dann gehen wir in den Landeanflug über. Ich erwarte zahlreiche wartende Nachtflüge am Fenster. Viele Maschinen sind an diesem Nachmittag nach Europa gestartet. Sie müssten nun auch wieder in diesem Luftraum sein. Aber ich kann nichts aus dem Fenster sehen. Der Flugkapitän öffnet ungewöhnlich früh die Landeklappen und fährt das Fahrwerk aus. Die Turbinen heulen auf. „Treibstoff verbrennen!" blitz es in mir. Die Kabine röhrt vor Luftströmungen die um das ausgefahrene Fahrwerk donnern. Ich beruhige die Passagiere hinter uns. „Keine Angst, der macht das richtig! Wir müssen leichter werden".



Das Aufsetzen ist gegen 1:20 Uhr ungewöhnlich unsanft. Es müssen wohl dennoch einige ungeplante Tonnen in den Tanks sein. Die Struktur des Flugzeugs ächzt und ich bin wieder einmal erstaunt, was so ein Flieger alles aufnehmen kann. Sogar der Logger hat sich bei diesem Schlag ausgeschaltet. Ein Gepäckfach über den Passagieren hat sich geöffnet. Erschrocken schnippt der darunter sitzende Passagier ganz schnell auf und klappt es wieder zu. „Man ist das ein Ding" – denke ich und bin im Grunde dankbar für diese Erfahrung.



Die Stewardessen verkünden die Landung in Atlanta und bitten die Handys noch auszulassen, bis das Flugzeug steht. Wieder rollen wir lange die Fahrbahnen entlang. Dabei muss der Flieger auch einmal anhalten, um eine andere Rollbahn bei Einkunft eines anderen Flugzeuges frei zu halten. In diesem Moment redet eine Frau mit schwäbischem Dialekt ganz laut an ihren Handy los: „Das Flugzeug is zurückg´flogen, mir sinne jetzt wieder in Atlanta. Was solle mer denn mache? Ich verstehe her doch kenne Leut´.". Erschrocken dreht sich alles um und grinst erheitert. Es ist doch noch verboten, Handys zu benutzen! Aber es kommt keine Reaktion von den sonst so wachsamen Stewardessen. Nach etwa einer Minute haben fast alle im Flugzeug ihr Handy an und telefonieren. Unser Flugzeug ist zum Callcenter geworden. Wir rollen „palavernd" auf unsere Endposition.



Die Leute und wir strömen in das Ungewisse. Am Schalter an welchem wir abgeflogen sind kommen wir wieder heraus. Zum Glück wird uns die Einreiseprozedur erspart. Ratlosigkeit macht sich breit. Dann gibt es rote Voucher mit einem Hotelnahmen und einer Telefonnummer darauf. Wir sollen erst einmal schlafen gehen und morgen diese Nummer anrufen. Dann gibt es noch ein schönes Waschtäschchen mit Toilettenartikeln und einem T-Shirt der Sky-Alliance. Alles strömt sich selbst hinterher. Die Terminals sind ungewöhnlich leer. Reparatur- und Reinigungstrupps sind mit allerlei kleinen Elektrofahrzeugen unterwegs.



An einem Platz für Busshuttles kommt die Menge an. Dort ist eine Tafel mit Hotelbildern, einer Legende und einigen Telefonen. Ich rufe das Hotel an, dessen Name auf meinem Voucher steht. „Sir, wir sind voll und können niemanden mehr aufnehmen." Yvonne und ein inzwischen befreundeter hilfsbereiter Passagier sind ratlos.



„Ach", sage ich, „heute ist sowieso Chaos und wir nehmen einfach den nächstbesten Bus". Also schiebe ich Tara mit ihrem Tragesitz auf die Schöße von irgendwelchen Frauen, die in einem bereits vollen Bus sitzen und sage: „Ladys, eine von Euch muss auf dieses hübsche Baby aufpassen!" Ich habe schnell entzückte Abnehmerinnen. Dann schiebe ich Yvonne in den Bus, lade mit dem Busfahrer unser Handgepäck ein und setze mich in dem nun überfüllten Bus auf den Motorblock zwischen Fahrer und Beifahrer. Los geht´s!



Das Hotel nennt sich „Suites Inn". Wir erreichen es nach etwa 20 min Fahrt. Der Fahrer sagt, dass es im Raum um den Flughafen für solche Fälle etwa 4000 bereitstehende Betten gibt, aber heute wäre schon viel los gewesen. An der Lobby entpuppt sich der Voucher als Rabattkarte. Wir müssen dennoch 53 $ für das Zimmer zahlen. Es kostet sonst 80 $. Wir übernehmen für einen überraschten Passagier die Rechnung. Er war auf diesen Fall nicht vorbereitet und hat nur noch Euros bei sich. Die aber werden nicht angenommen. Wir haben Vertrauen und ich kenne diese Situation auch schon selbst. Damals war ich dankbar auf de mir damals vertrauende Familie. Also geben wir heute zurück.



Müde und dennoch dankbar schläft Yvonne gegen 2:30 Uhr ein. Ich stelle am Computer per Email noch einige Weichen für die kommenden Tage und gehe dann auch zu Bett. Wissend, dass diese Nacht kurz bleiben wird, stelle ich fest, dass unser selbst verordneter Sicherheitstag vor Abflug nun sehr wichtig war und weiter noch werden kann.

Rückblick auf Huntsville

von Ralf Heckel
International Space Education Institute
www.spaceeducation.de

Trailblazer zu sein ist, jederzeit eine schwere Verantwortung zu tragen.

Wir haben:

- 5 Schülerexkursionen seit 2006 nach Huntvsille gebracht (40 Schüler)
- damit dafür 48.000 Euro in den USA gelassen (1.200 pro Schüler, davon 50% in Huntsville)
- seit unserer Teilnahme als ersts internationales Team 2007 exakt 52 internationale Teams hinter uns hergezogen
- mit diesen nachfolgenden internationalen Teams einen Wert von ca. 250.000 Euro Umsatz für die USA eruiert

(davon sind etwa 50% nach Huntsville geflossen)

Ich bin mir völlig im klaren darüber, dass unser Engagement seit 2007 als Multiplikator für alle internationalen Teams gilt und dies sich nun mit der schnellsten gefahrenen Zeit und dem technologisch weit überlegenem Moonbuggy noch verdichtet (wissenschaftliche Herangehensweise an Stabilität, Telemetrie, Verkehrszulassung).

Die erste internationale Teilnahme durch unser Team im April 2010 war ein hohes Wagnis für alle Seiten.

Wir sind an einer stetigen Weiterentwicklung des Moonbuggy Races interessiert und sind uns sicher, dass wir auch Partner aus Europa für diesen Wettbewerb gewinnen können. Das Vorschalten einer Vorauswahl mit National- bzw. Kontinentalausscheiden ist unumgänglich.

Wir sind uns aber auch im klaren, dass dieser Versuch sehr schief gehen kann, wenn die Zusammenarbeit auf beiden Kontinenten nicht mit einem Höchstmaß an Integrität erfolgt. Hinter allem steht auf unserer Seite eine nicht einzuholende 4-jährige Arbeit.

Der Sicherheitstag

Bild: Abschied bei Freunden und Partnern am Abend des 14.4.2010 in Huntsville

v.l.n.r.: Vernon und Kay Headrick, NASA-Fotograf Douglas Stoffer, Moderatorin Lori, Yvonne mit Tara, MSFC-Pressesprecherin Angela Storey, Terry Wall mit Frau, Ralf Heckel

von Ralf Heckel
International Space Education Institute
www.spacepass.de

16. April 2010

Fotos von der Abschlussfeier in Huntsville am Abend des 14.4.2010:
http://www.flickr.com/photos/spaceeducation/sets/72157623857717308/

Die letzten 3 zusätzlichen Tage in Huntsville waren bitternötig. Das Schulprogramm der drei deutschen Teilnehmer erlaubte den Sicherheitstag nach dem letzten Renntag nicht. Dieser Sonntag dient zum gesundheitlichen Ausgleich vor dem anstrengenden Rückflug über dem Atlantik. Alle Teammitglieder standen in den letzten Monaten unter Hochspannung. Im ersten Teilnahmejahr des Moonbuggyrennens fielen alle Teilnehmer deshalb nach der Rückkehr um einige Tage aus. Sie brauchen vor allem Schlaf und Ruhe. Darüber hinaus müssen Gepäck und Moonbuggy wieder reisefertig gemacht werden. Seitdem haben wir diesen Sicherheitstag zum Bestandteil des Reiseprogramms gemacht. Er beinhaltet 16 Stunden Ruhe und Entspannung als wichtiger Bestandteil des Grundwertes „Sicherheit".

Im Vorfeld der Abreise aber konnten wir dann dennoch diesen einen Tag gegenüber den Forderungen der Schule und Eltern nicht durchbekommen. Es wurde von uns verlangt, dass am Sonntag direkt nach dem Wettbewerb zurück zu fliegen ist. Die folgenden Ereignisse zeigen uns, dass dies ein Fehler war und dieser Sicherheitstag in Zukunft zur unumstößlichen Mitreisebedingung zu machen ist, der nötigenfalls sogar unter ärztlicher Auflage liegt. Im anderen Fall müssen wir die Mitreise des Teilnehmers aus Sicherheitsgründen ablehnen.

Um den Schülern ein in den gegebenen Grenzen maximales Maß von Erholung zu ermöglichen, haben wir unseren Aufenthalt (Begleitpersonen) in Huntsville vorausschauend um 3 ehrenamtliche Tage länger angesetzt. So besteht kein Zugzwang das aufwendige Moonbuggy-Gepäck sofort reisefertig zu bekommen. Auch haben wir die Schüler von der Pflicht des Schreibens ihrer Berichte vom zweiten Renntag um 4 Tage befreit. Diese Berichte sind nun unumkehrbar von neuen Ereignissen überlagert und nicht mehr für die Aufgabe der unbeeinflussten Spiegelung des Geschehens brauchbar. Bisher traf noch kein Bericht ein und das stellt ein Nichterreichen des Missionszieles in einem wichtigen Punkt dar. Die damit teuer freigemachte Zeit reichte also nicht.

Yvonne und ich haben die darauf folgenden 3 Tage damit verbracht, die Aufgaben der Schüler zu ersetzen und unsere Aufgaben als Leiter der teilnehmenden Schule wahrzunehmen. Diese bestanden hauptsächlich aus dem Einsammeln der Belege aus der Presse, wichtigen Terminen, dem Packen und Auswiegen der Koffer, dem zurückbringen verschiedener Werkzeuge und dem Umgehen mit der neuen Situation als „Winning Team". Es verblieben uns lediglich 8 Stunden für den geplanten „Slow down" (Herunterfahren der persönlichen Aktivitäten vor Abflug).

Als „Winning Team" wurden wir auch plötzlich mit neuen und uneinkalkulierten Aufgaben konfrontiert. So ist der riesige Award eine Herausforderung für einen internationalen Flug. Da das Moonbuggy alle Kapazitäten besetzt, ist weder Gewicht noch Raum für eine 11x11x11 Zoll große Box. Die Alternative Fed-Ex wurde uns vom Space Camp empfohlen, ergab sich aber als Budgetfinte. Der Transport nach Deutschland soll 230$ kosten – undenkbar. Als Zusatzgepäck mit dem Flugzeug will Delta Airlines 200$ haben. Das ist ebenso utopisch.

Also sortieren wir Teile des Moonbuggys aus, welche wir in Deutschland doppelt haben. Diese lagern wir bei unseren Freuden ein und schaffen somit Platz für den Award. Da diese Vorgehensweise im Grunde eine Verletzung der Auflagen des Veranstalters ist (alle Moonbuggys müssen komplett zurück transportiert werden), aber ein Zurücklassen des Awards auch nicht im Sinne des Veranstalters ist (es nimmt den Schülern den Stolz und Glauben an ihre Zukunft), muss in Zukunft für solche Fälle gemeinsam mit dem Veranstalter nach machbaren Lösungen gesucht werden. Ein internationales Team als Gewinner ist neu und das zieht immer auch Neues nach sich.

Des weiteren ist da der Preis für den 1. Platz. Er hat einen Wert von etwa 6000 Dollar. Es ist eine Einladung für 6 Personen in das Space Camp nach Huntsville. Nicht bedacht hat der Veranstalter, dass diese Einladung die Schüler zur Ausgabe einer weiteren Summe von etwa 800 Euro für Überflug und in Ivan´s Falle für das Visa zwingt. Das ist so nicht hinnehmbar und muss umgewandelt werden, um zu vermeiden, dass die Schüler und Eltern in ein tiefes Burn Out fallen und ggf. Gram gegen den Veranstalter oder gar uns hegen.

(Bemerkung eines deutschen Lehrers: „So ist das bei TSA auch, der angebliche Preis ist meist ein Jahr an einer Highschool und hat einen Wert von ... $, den kann aber keiner nutzen ...)

Ich lasse es vorsichtig bereits nach der Award-Zeremonie anklingen und lege in der verbleibenden Zeit per Email noch einmal nach. Ich versuche klar zu machen, dass am folgenden Montag in unserem Land eine Pressekonferenz stattfinden soll und bis dahin eine machbare Lösung her muss. Weder die Veranstalter noch der Leiter des Space Camp beantworten bis zu meiner Abreise diese Frage. Wohl ist man auch überrascht.

Also müssen wir uns in Deutschland mit den Partnern und Sponsoren darum kümmern und weitere internationale Teams auf erkannte Stolpersteine vorbereiten. Tun wir es nicht, könnte die Zahl der internationalen Teilnehmer schnell abnehmen. Ich habe Ideen aber keine Ahnung, ob die anvisierten Partner da mitmachen.

Am Mittwoch morgen heißt es nach fast rastlosem Engagement „Abschied nehmen", bis eine neue Nachricht alle Pläne langsam umzustellen beginnt.

Fotos von der Abschlussfeier in Huntsville am Abend des 14.4.2010:
http://www.flickr.com/photos/spaceeducation/sets/72157623857717308/

Das ist unsere Verantwortung

von Ralf Heckel
International Space Education Institute
http://www.spaceeducation.de/

Cape Canaveral, den 20. April 2010

Bemerkung der Teamleitung nach dem Bericht von Max Frank „Zuhause - mit einem Weltmeistertitel"

Das von Max beobachtete Phänomen ist richtig und liegt in der Mentaliät der Deutschen und den Problemen der internationalen Beteiligung an diesem Wettbewerb. Es erschwert den jährlichen Teilnehmern die harte Arbeit als Erfolg verwerten zu können. Man schweigt sich aus. Nicht wenige Schüler verlieren wir danach durch ein daraus folgendes "Burn Out" (ausgebrannt sein und die dahinterstehenden Berufsvisionen verlierend), während in Puerto Rico und Indien die Schüler für ihre NASA-Teilnahme als Bildungs-Multiplikatoren und –Motivatoren gefeiert werden. Für diese Teilnehmer und deren Schulen ist das deutsche Team und sein Management in Huntsville seit 2007 ein nachzuahmendes Vorbild.

Wir vermuten drei Gründe für dieses Verhalten. Zum Einen ist die mediengeprägte Erwartungshaltung der Schüler während der Rückkehr eine Illusion. Man kennt oft nur Bilder rückkehrender Sieger-Mannschaften mit großem Jubel. Das Sportmanagement in unserem Land ist sehr verwöhnt. Zum Anderen ist der Gemeinschaft das in Deutschland noch junge NASA-Moonbuggy Race noch unbekannt und aufgrund unpräzisen Umgangs einiger Medien eher suspekt, sie können es nicht einordnen (was der Bauer nicht kennt, isst er nicht). Ich gehe darauf noch genauer ein.

Ein dritter Fakt ist der integrative Umgang des Schülers selbst. Max geht in ein Sportgymnasium zur Schule. Dort glaubt man alle sportlichen Disziplinen zu kennen. Er kam als frischer Quereinsteiger in das Projekt ohne die Möglichkeit gehabt zu haben, die einjährige Vorbereitung transparent in einem Blog und in der Schule zu spiegeln. Eine Rückkehr nach den Ferien mit einem plötzlichen Weltmeistertitel muss den bereits über Jahre im Leistungssport erfahrenen Schülern suspekt und unwirklich vorkommen. Dies auch aus jenem Grund, weil die Moonbuggy-Fahrer kein Sportgymnasium als harte Olympiaschmiede mit all ihren Anforderungen besuchen. Hier müssen Neid, Ablehnung und Missverständnis aufgrund fehlender Einblicke auftreten. Wir haben die Schüler seit Beginn dieses Projektes zum Schreiben täglicher Erlebnisberichte und dem Aufbau einer Sympathisantengemeinde aus der Familie heraus verpflichtet. Jene, die das bereits über eine längere Zeit tun, in Schule und Umgebung kommunikativ und offen damit umgehen, kennen solche Erfahrungen wie Max sie jetzt machte nicht mehr.

Dennoch ist die Hürde für einen Einstieg hoch. Bisher besteht nur einer von 2000 Schülern diese Anforderungen. Rückendeckung aus der Gesellschaft und mehr Integrität in das öffentliche Leben könnte diese Schwelle verringern.



Lösungsvorschläge:

Es müssen Eltern, Schulleitung, Lehrer und auch bewusste Medienvertreter mit ihrer Reputation zeitnah eintreten. Das sind Softpublikationen im Bekanntenkreis (für Eltern), kleine Würdigungen in den Regionalmedien und Vereinen (Schulen und Medien) sowie Möglichkeiten zu dezenten Vorträgen in Schule und Betrieb (Eltern, Partner, Schule). Wichtig ist eine Veranstaltung zur Würdigung, ihr Rahmen und das Umfeld (gleichgestellt mit der Award-Zeremonie in Huntvsille).

Vor allem ist der verantwortungsbewusste Umgang mit den richtigen Vokabeln wichtig. So kann die Ablehnung von Anglizismen „Moonbuggy" als deutscher Ersatz mit „Mondauto" (als nicht zutreffende Ersatzbeschreibung) nur auf Lächerlichkeit treffen und den Hohn gegen die Teilnehmer schüren.

Die bereits bewiesene Integrität des NASA Moonbuggy Projektes in die schulischen Abläufe als BELL-Projekt haben wir nachgewiesen. Nun sollten die Schulleitungen und -ämter beherzt nachgreifen. Eine Würdigung des Erfolges ist nicht nur zum Fremdzweck des Schülers, vielmehr verstehen wir erfolgreiche Absolventen dieses Projektes als Botschafter für Lernwillen und -freude.

Die Sponsoren und Partner müssen nach einer für die Schüler greifbaren würdigen Honorierung der Teilnehmer suchen, um zu verhindern, dass die Arbeit ohne Erfolg für die Zukunft der Teilnehmer und des Projekts bleibt. Einmal verlorene Schüler oder nicht bediente Erwartungen kann man nicht mehr umkehren. Es steckt zudem zuviel Arbeit darin. Die vergebenen Preise des Veranstalters stellen zwar für US-Teilnehmer einen solchen Ausgleich dar, aber nicht für ausländische Teilnehmer. Die Einladung in das US-Space Camp oder zum Space Shuttle Start verpflichten die Schüler zu weiteren Ausgaben oder sind nicht geeignet, in das Schulprogramm integriert zu werden. Weitere Ausgaben zulasten der Schüler sind nach einem Projekt wie die internationale Telnahme am Moonbuggy Race nicht hinnehmbar. Hier muss im Maß eines vergleichbaren Sportevents oder Wettbewerbes nach den Vorstellungen und Gegebenheiten in unserem Lande ergänzt werden.

Ich halte den Aufbau eines Hilfe stellenden wirtschaftlichen Fundamentes (Serienbuggy für Anfänger, Fond, Event, Förderpreis) für unbedingt erforderlich, sollte dieses Projekt eine integrative Zukunft in Deutschland und Europa haben. Die bisherigen Partner und Sponsoren sind mit dem bisherigen Engagement an der Grenze ihrer Möglichkeiten angelangt.

Zuhause - mit einem Weltmeistertitel


Max Frank
Moonbuggy Team 2010
http://www.spaceeducation.de/

Mir war ja klar das wir nicht mit einem Privatflugzeug zurückkehren und auch keine jubelnde Menschenmasse mit bunten Wimpeln zuhause wartet. Trotz alledem haben mich meine Eltern und mein Opa am Flughafen mit einer riesigen Fahne empfangen auf der „Moonbuggy Weltmeister 2010" stand. Sie haben mich damit wahnsinnig überrascht. Einige Leute haben Fotos von uns gemacht und waren ganz perplex.


Fast zuhause angekommen habe ich schon vom Radio Leipzig ein Interview in der Tasche, die mich sogar nächstes Jahr vor und nach dem Rennen Interviewen wollen. Zwei Tage später hat mir Ralf geschrieben dass wir den kommenden Montag einen Pressetermin in der Handwerkskammer Leipzig haben. Worauf ich mich mit Bildern aus Huntsville vorbereiten soll. In der Schule und von einigen Freunden wurde ich ja nicht einmal angesprochen wie es in Huntsville Alabama war. Das fand ich schon sehr merkwürdig und als ich dann etwas erzählen wollte, waren sie überhaupt nicht daran interessiert.

Ich verstehe das einfach nicht. Wir sind Weltmeister geworden und keiner weiß, geschweige redet mit mir darüber. Als ob sie alle selbst schon Weltmeister sind.

Was mich auch verblüfft hat war, das mich keiner auf die Zeitungsartikel, die in der LVZ standen, angesprochen hat. Alles ganz schön komisch. Aber ich bin Weltmeister und das kann mir keiner mehr nehmen.


> Siehe die Bemerkung der Teamleitung: "Das ist unsere Verantwortung"

Rückblick auf den zweiten Renntag und die ganze Reise

Max Frank & Stephanie (Steffi) Fleischer
Moonbuggy Team 2010
www.spacepass.de

über dem Atlantik, 11.04.2010

Fotos: http://www.flickr.com/photos/spaceeducation/sets/72157623711899421/

Nun sitzen wir im Flugzeug auf dem Weg ins Heimatland und keiner aus diesem Flugzeug weiß, dass wir diesjährige Weltmeister des NASA Great Moonbuggy Race sind.

Vor genau einer Woche wussten wir noch gar nicht was uns erwartet. Als Neulinge flogen wir mit Ralf nach Amerika, das für uns vor sieben Tagen noch Neuland war. Wir waren total aufgeregt, weil wir nicht wussten was uns erwarten würde, was wir erleben werden und wie natürlich das Rennen verlaufen wird. Unser Teamkollege Stefan, ist ja neben Ralf, der Pro, unter uns.

Für uns speziell war alles neu. Die 7 stündige Zeitumstellung, die Essenskultur, sprich die ganzen Fast Food Restaurants, die Autos und Straßen, die Supermärkte. Alles ist alles so viel größer als bei uns zu Hause. Daran mussten wir uns noch gewöhnen.

Uns kam es vor, als waren wir nicht nur eine Woche in Alabama, sondern einige Wochen. Wir haben so viel erlebt, erfahren und gesehen. Von viel zu heißen Temperaturen, beeindruckenden Gebäuden, wie beispielsweise das Space & Rocket Center, große und laute Autos bis zu den Geschichten unserer deutschen Vorfahren, vor allem über Werner von Braun in Amerika.

Aber der Anlass unserer Reise war ja unser Moonbuggy, welches in Huntsville Alabama für großes Aufsehen gesorgt hat. Am Ostersonntag, als noch alle Organisatoren und Journalisten ihren Abend vor dem Fernseher verbracht haben, waren wir live On Air. Ja, das deutsche Team ist da. Einen Tag drauf haben wir unser Moonbuggy innerhalb von 6 Stunden aufgebaut und gleich unsere erste Testfahrt durchgeführt. Wir kamen im Dunkeln mit Licht am Moonbuggy auf 60 km/h!

Am nächsten Morgen haben wir das wiederholt und gleich einmal einen Geschwindigkeitsrekord von 80 km/h aufgestellt (Als wir diesen Berg heute zum letzten Mal mit unserem Van heruntergefahren sind, musste der Ralf sogar das Gaspedal betätigen um unseren Rekord zu toppen).

Darauf folgte ein Besuch im Center for Technology, dessen Teams in den letzten Jahren Gewinner des NASA Great Moonbuggy Race waren und uns in ihrer Trainingsphase richtig einschüchterten. Und da war natürlich das große Rennen.

Wir haben das Rennen natürlich aus verschiedenen Sichtweisen gesehen. Einmal als Fotograf, der das Rennen quasi von außerhalb beobachtet und einmal als Co- Pilot, der mitten im Geschehen war.

Steffi (Co-Pilotin): Das erste Rennen, welches am Freitag stattfand, verlief für uns recht gut. Wir sind regelrecht über die ganzen Obstakels (meine neue Lieblingsvokabel für Hindernisse) geflogen. Wir führten mit 3:31 min für das Rennen und sechs Sekunden für das Auseinanderklappen und draufsetzen. Und typisch Deutsch haben wir alles so synchron ausgeführt, dass wir exakt gleichzeitig fertig wurden und die Hände in die Luft geschmissen haben (siehe www.youtube.com/spaceeducation , Kanal Moonbuggy 2010).

Wir waren guter Dinge, doch mussten am zweiten Renntag wieder total früh aufstehen. Genau gesagt kurz vor fünf, da wir nun die Startnummer 1 hatten. Wir waren total aufgeregt und haben uns dank Max bei den Vorbereitungen nicht überanstrengt oder das Falsche gemacht. Ich wollte mich zum Beispiel immer vor dem Rennen dehnen. Doch Max belehrte mich eines Besseren und wir machten kleine Tippings.

Kurz vor dem Rennen haben wir noch einmal alles abgeklärt. Damit unsere Reifen anfangs nicht durchdrehen, haben wir die Anfangsposition unserer Pedale verändert und ich habe es sogar nicht vergessen die Boardkamera zu betätigen (siehe www.youtube.com/spaceeducation , Kanal Moonbuggy 2010).

Wir merken nach den ersten Hürden, dass sie höher geworden sind oder plötzlich Holzbalken und Reifen unter den Steinhaufen zum Vorschein kamen. In der Kurve „Luna-Tic" mussten wir auch zittern. Wir sind so auf die Hürde, welche kurz vor einer 90 Grad Kurve platziert war, drauf gefahren, dass ich da hinten ziemlich hoch in der Luft war und auf einem Rad aufgekommen bin, um ein gutes Stück auf einem Rad weiter zu fahren.




Ich hatte hinten so Angst, dass ich aus meinem Sitz falle oder sogar das Moonbuggy-Hinterteil auf mir drauf. Doch dann erinnerte ich mich an unser Interview beim Wetterkanal und dachte an meine lustige Beschreibung des Winkelbegrenzer (limited angle limiter) und wusste, dass ich ja gar nicht umkippen kann. Und so war es auch, alle haben gestaunt und applaudiert und wir haben wieder Gas gegeben. Der Rest ging ganz leicht, wir sind schön in den Mondkrater herein gedriftet und waren quasi schon im Ziel. Dann gab uns der Schiedsrichter unsere Zeit bekannt: 3.31 Minuten. Schon wieder!

Wenn wir so wie am vorherigen Tag auf den Steinhaufen vor dem „Luna-Tic" gefahren wären, hätten wir schneller im Ziel sein können. Da mussten wir den Tommy, welcher leider nicht mit fahren konnte und schon zwei mal an einem Race teilgenommen hat und sehr viel Arbeit und Zeit in das Moonbuggyprojekt hereingesteckt hat, leider enttäuschen. Der Buggy kann doch mehr als er erwartete.

Die anderen Mannschaften, die uns gleich folgten, hatten ungefähr die gleiche Zeit wie wir. Außer die Jupiters, welche zum ersten Mal beim Moonbuggy Race mitgefahren sind und gleich einen Streckenrekord hingelegt haben. Doch sie brauchten für ihr Assembly 16 Sekunden, 10 mehr als wir. Ich war echt gespannt, ob wir nun die Weltmeisterschaft nach Hause bringen würden oder nicht.

Es war ein spannendes Rennen. Wir sind als aller erstes Team gestartet und alle anderen Teams kommen ja noch und können eine bessere Zeit fahren als wir. Das machte das Rennen besonders spannend.

Wir schauten uns jeden Lauf an. Feuerten und Jubelten die anderen Teams an. Auf der anderen Seite bangten wir um unseren Platz. Den wir schnell verlieren konnten, weil die Besten alle mit nur einer Sekunde auseinander lagen. Es war ein ABSOLUT spannendes Rennen!

Nachdem alle Teams durch waren und wir noch immer auf der Liste ganz oben standen war es klar. Wir haben mit unserem Team die Weltmeiserschaft im Moonbuggy-Fahren und -Konstruieren gewonnen. Alle waren so happy und aufgeregt, das wir nicht wussten wir uns verhalten sollten (typisch deutsch) und freuten uns innerlich sehr.

Wir hatten aber keine Zeit jetzt einen drauf zu Trinken, sonder wir müssen unser Buggy in die Koffer packen weil wir morgen wieder nachhause fliegen. Sofort ging es an das auseinanderbauen und einpacken der Teile. Wir waren ein großartiges Team.

Stefan und Max bauten den Buggy auseinander. Steffi und Yvonne packten die Teile in Luftpolsterfolie ein. In der Zeit des Zerlegens beobachteten uns viele Leute. Vier Stunden später haben wir alles zusammengepackt und auf Terry´s riesigen Pickup verladen. Nun geht es zur Award Zeremonie. Haare schick gemacht noch einmal geschaut ob alles am richtigen Platz sitzt, das die Sponsoren gesehen werden. Dann werden wir zu unseren Plätzen geführt.

Nach dem alle Moonbuggy Teams geehrt wurden, gibt es die Awards für die ersten drei High School und University Teams. Es war einen großartige Veranstaltung und die Puerto Ricaner hatten eine Fan Meile mit. Die haben richtig Stimmung gemacht. Dachdem wir zwei Stunden am Stück hintereinander geklatscht haben, sind wir hungrig geworden. Zur Feier des Tages sind wir in ein Restaurant gefahren, in dem es Buffet gab. Hier haben wir uns alle richtig vollgegessen.

Abends haben wir noch unsere Koffer gepackt und Rundmails geschrieben, das wir Weltmeister geworden sind. Nach der großen Aufregung und den Strapazen vom Tag waren alle sehr müde. Schnell kehrte Ruhe im Haus von Handricks ein, außer Steffi und Stefan die sich noch viel zu erzählen hatten.

Am nächsten morgen ging alles sehr schnell. Nach dem Frühstück sind wir sofort mit dem Auto zum Flughafen losgefahren. Beim Check-In waren unsere Koffer zu schwer. Also mussten wir noch einige Teile herausnehmen. Diese gaben wir Yvonne.

Nach dem Stress ist, glaub ich, bei dem ein oder anderen von uns das Wort „Danke" verloren gegangen. Deshalb möchte ich jedem Danken der uns unterstützt hat. Sei es die Gastfreundlichkeit von den Handricks gewesen, von Terry der sich um uns gekümmert hat als ob wir seine eigene Familie wären aber auch die Materialien, Arbeit an den Maschinen, am Differenzialgetriebe, der Sandstrahlerei, der Pulverfarbgebung, Aufbereitung unserer Räder und Geldspenden, welche es alle zusammen überhaupt erst möglich gemacht haben, das es ein Moonbuggy gibt.

Ein „Danke" an die, die uns erst so richtig mit Interviews für TV oder Zeitungen „berühmt" und damit sichtbar gemacht haben. Niemand würde uns heute ernst nehmen.

Der größte Dank geht aber an Ralf und Yvonne. Ralf, dem wir es mit seiner Unbestechlichkeit, Durchhaltevermögen, Enthusiasmus und kontinuierlichem Antrieb zu verdanken haben, das wir es so weit geschafft haben. Yvonne, die uns immer motiviert hat und überall dabei war. Die das kleine Baby Tara, die in 16 Jahren die nächste Pilotin vom Moonbuggy sein wird und uns den ganzen Tag mit ihrem Lachen ausgeglichen hat, und uns versorgte.

Ohne Euch alle, auch die zu Hause nachts das Team über den TV angefeuert haben oder jeden Tag unsere Reporte gelesen und Kommentare geschrieben haben, wären wir niemals Moonbuggy Weltmeister geworden. Wir hatten die eine entscheidende Sekunde voraus! Deshalb geht ein großer Dank an Euch alle.


Fotos: http://www.flickr.com/photos/spaceeducation/sets/72157623711899421/

Mittwoch, 14. April 2010

Moonbuggy Weltmeisterschaft - ein unerwarteter Titel


Ralf Heckel
International Space Education Institute
www.spacepass.de

Huntsville, 12. April 2010

photos: http://www.flickr.com/photos/spaceeducation/sets/72157623824598544/
video: http://www.youtube.com/profile?user=SpaceEducation#g/c/D43CCA12213F30AC

Das Unerwartete ist eingetreten. Mit einer Sekunde Vorsprung wurde unser Team in diesem Jahr der Gewinner. Die nächsten nachfolgenden 4 Teams liegen nur in einer Spanne von 4 Sekunden hinter uns. Von allen gefahrenen Zeiten, so auch jenen der Universitätsklasse, ist unser Team weltweit das Beste. Zwar wird das nicht erwähnt, aber es ist en Fakt.

Es war ein Team im Rennen 4 Sekunden schneller, aber deren Technologie versagte beim Auseinanderklappen. Während unser Team in 6 Sekunden fahrbereit war, schaffte es dieses Team nur in 16 Sekunden. Das schnellste Team klappte seinen Buggy in nur 4 Sekunden auseinander, aber deren Baugruppen hätten nicht in einen Flugkoffer gepasst.

Wenn man es genau nimmt, ist unser Team Weltmeister – ein Titel der logisch ist, aber nicht erwähnt wurde.

Heute ist der Tag der Kosmonautik. Vor 49 Jahren startete Juri Gagarin in das All und flog vor 29 Jahren zum ersten Mal ein Space Shuttle in den Orbit. Ich blicke in die Zukunft: „Wird es uns gelingen, im kommenden Jubiläumsjahr ein russisches Team mit antreten zu lassen? Es könnte ein kleines und für die Zukunft des Nachwuchses wichtiges „Space Race" werden. Denn im kommenden Jahr feiert auch der Lunar Rover seinen 40. Jahrestag. Nationales Denken lässt sich (so meine internationale Erfahrung) außerhalb multinationaler Teams nicht so schnell zurückstellen. Hier könnte es deshalb zum Antrieb für bessere Leistungen auf allen Seiten dienen.

Ich möchte nun die letzten Stunden wiedergeben, solange sie noch frisch und unangetastet sind. Wieder fahre ich das Team zum Space & Rocketcenter. Die Kids sind voller Tatendrang und Energie, kühl und klar denkend, freiwillig und zielstrebig ihre persönlichen Emotionen einem einzigen Ziel unterordnend. So kenne ich sie seit 4 Jahren. Es sind Sternstunden für jeden Lehrer und lebendigen Förderer der Jugend. Aber dieser Moment tritt ausschießlich vor dem Moonbuggy Race oder in Moskau im Sternenstädtchen auf. Niemand außer mir, Yvonne und einer Handvoll Lehrer kennen diesen Moment wirklich.

Ich weiß, dass er nicht lange anhalten wird und das Level sehr stark vom Erfolg und der entgegengebrachten Aufmerksamkeit des Veranstalters abhängt. Zu viele Schüler haben wir in den letzten Jahren durch einen „Burn Out" nach dem Race verloren – zu hart sind die Anforderungen zuzüglich der weiten Reise und hohen Kosten. Jene die übrig blieben oder nicht schon vorher kapitulierten, sitzen jetzt hinter mir. Ich fahre so sanft als hätte ich die Gold-Nationalreserve im Wagen.

Auf dem Platz ist noch kein Betrieb. Das Team ist gestählt durch den gestrigen erfolgreichen Tag. Eine Aufregung ist nicht zu spüren. Max durchläuft mit en Fahrern sein Trainingsprogramm und ich positioniere die Kameras neu. Diesmal wird der Van zum Mission Control Center der für uns so wichtigen Telemetriedaten. Er hat eine lange Antenne auf dem Dach.

Mir fällt auf, dass nichts von der üblichen Moonbuggy-Aufregung zu spüren ist, weil noch kaum jemand auf seinem Posten steht. Das Team hat keinen Ansatzpunkt. Es gibt keine Antwort auf die Fragen: „Müssen wir nun noch schneller werden? … Wo liegen die anderen heute? … Was erfordert besondere Beachtung?" Die Startnummer 1 zu ein ist ein schweres Los.

Dafür zwitschern die Vögel, schält sich die wärmende Sonne aus den Baumwipfeln und lenkt nichts ab vom Ziel. Wir stehen am Start. Beide Fahrer haben sich unendliche Male ihr Bordvideo und die Telemetriedaten von gestern angesehen. Sie haben zusammen mit ihrem 17-jährigen Trainer Max neue Strategien entwickelt und positionieren ihre Pedalen auf Kreuz. Damit wollen sie progressive Schubkräfte und Schlupf beim Anfahren vermeiden.



Die Quittung kommt promt. NASA-Twitter schreibt: "Steffi and Stefan get off to a killer start -- no Obstacle 1 woes here" (Steffi und Stefan legen einen Killerstart hin – kein Hindernis 1 war zu spüren). Ich stehe am schwersten Hindernis, der Lunatic-Kurve und habe drei Kameras scharf gemacht. Beide kommen mit einem unglaublichen Tempo hinein (nach der Telemetrieauswertung waren es 24 km/h bzw. 15 MPH). Stefan wirkt gelassen nach seinem Speedrekord auf der Landstraße mit 80 km/h (50 MPH) und geht 50 cm vor dem Hindernis „voll in die Eisen". Nach einem Sekundenbruchteil lässt er sofort die Bremshebel wieder los. Er weiß, dass er nun die Kontrolle über mehr als einer Erdbeschleunigung hat und die Bremsscheiben damit bis auf 600 °C erhitzt. Er steuert einen Kampfjet mit einer bewegten Masse von über 200 kg.

Der Buggy taucht kurzzeitig bis an die Belastungsgrenze seiner Vorderachse ein und hebt sich dann mit Stefan über den scharfen Hügel im entlasteten Zustand empor. Stefan legt nach Einsicht in die Telemetriedaten hier eine Beschleunigung von 11,5 m/s² hin. Das ist ein Overload von über einer Erdbeschleunigung. Gut gemacht! So macht man aus Hase-Stoßdämpfern mit Überdruck Känguruh-Beine. Während die Räder den unebenen Schotterboden berühren, sind sie entlastet. Stefan hat keinen Halt und gerät etwas in das Schlingern. Steffi´s Hinterräder erreichen das Hindernis. Sie hat S-Ply-Federn aus Glasfaser mit Dämpfungseffekt. Es ist ein Material welches Mercedes in der Hinterachse seiner neuen Oberklasse einbaut. Das einmalige Schlingern der Vorderräder während Stefan das Fahrzeug sofort wieder unter Kontrolle bringt, aber genügt, um Steffi in einen ungewollten Seitwärts-Impuls zu versetzen. Ihr Heckfahrzeug bricht aus wie ein ungezähmter Mustang. Sie weiß nun nach unserem Off-Road-Training, dass sie cool bleiben und der Konstruktion vertrauen muss. Dennoch entweicht ihr ein hohes „Huuuch". Bei 30° Bodenneigung greift der Winkelbegrenzer des Torsionsgelenkes im Fahrzeugrahmen. Das rechte Hinterrad beginnt sich bereits bedrohlich seitwärts zu verformen. Dann schleudert Steffi in die Horizontale zurück, beide geben Maximum Power und schnipsen davon, nachdem sie mit dem linken Hinterrad einen Betonblock aus der Wegbegrenzung beiseite geschoben haben.

Die noch wenigen Passanten an dieser Stelle halten für einen Augenblick die Luft an. Als sie realisieren, dass alles glatt gelaufen ist, pusten sie alle Luft in einem lauten und erstaunten Lachen aus. Dennoch bin ich unzufrieden – wir haben hier etwa 2 Sekunden verloren. Es blitzen Gedanken von einer Drehstabfederung im Torsionsgelenk durch den Kopf und auch von Double-Track-Felgen mit doppeltem Hochkantprofil. Doch dazu ist wenig Zeit. Ich renne quer über den Platz, um sie am nächsten Standpunkt einzuholen.

Im und um den Mondkrater kann ich keine Mängel feststellen. Das Fahrzeug hat eine ausgezeichnete Performance. Sie driften um die betonierten Kurven. Dies geht zulasten der noch nicht für ein Moonbuggy Race ausgereiften Hinterreifen. Hier müssen wir uns mit dem Reifensponsor „Schwalbe" zusammensetzen und die „Big Betty" rasieren (kein Stollenprofil bei 3,75 Zoll Reifendicke). Bisher hatten wir für die Hinterachse zwar passende Reifen genommen, diese aber waren nicht vom Sponsor – und das hat keinen Stil. „Schwalbe" muss sch in Zukunft noch mehr anstrengen, um im „Boot" bleiben zu können. Die Fotos und Videos sind im Kasten. Ich haste weiter.

Max positioniert sich mit seiner Kamera mit einem Riesensprung über Böschung und Fahrspur wie angewiesen schräg unter dem Hindernis vor der Saturn I Rakete. Als der Buggy angeschossen kommt. Gibt es einen Schlenker auf dem Hindernis und er weicht erschrocken zur Seite. Ich spüre, dass beide Fahrer an ihrer Leistungsgrenze ankommen und wir einen Lenkungsdämpfer im Flugzustand des Buggys brauchen. Ich feuere auf dem nun folgenden Bergaufstück laut an. Dabei habe ich selbst kaum noch Puste. Ich halte die Kamera blind auf die beiden drauf und laufe hinterher.

Auf der Bergab-Strecke vor dem Space Shuttle hopst Steffi ganz schön weit hoch. Hier müssen wir den Dämpfungseffekt der hinteren Federung unbedingt erhöhen. Dann sausen beide zum Sandhindernis davon. Darüber mache ich mir keine Gedanken. Das war für uns nie ein wirkliches Hindernis. Ich kürze ab und versuche sie in der Zielgeraden zu erreichen. Geradeso komme ich noch zu zwei Fotos und sie dröhnen mit lautem Horn aus unserem 8-Atmosphären-Luftdruckkessel von DEKRA (eine federleichte grüne Plastik-Sprite-Flasche) durch das Ziel.

Wieder sind beide Fahrer bis an ihre Grenzen erschöpft und haben nur noch ein Ohr für den Lautsprecher. Der verkündet 3:31 min. Es ist exakt die selbe Zeit wie gestern. Niemand vom Team weiß nun was er davon halten soll. Ist das nun gut oder nicht?

In kurzer Folge fahren die anderen Teams der Königsklasse über den Kurs. Es ist eine Materialschlacht ohne Gleichen. Räder knicken ein, Reifen platzen laut knallend, Spurstangen verbiegen sich, Chassis brechen. Einige kommen durch, sogar mit der selben Zeit wie wir – aber keines kommt an unsere Gesamtwertung heran. Dann kommt die Rikschah-Flotte aus Indien. Viele Buggys sind zu hoch und unstabil. Ich habe das Bedürfnis ihnen ein paar Tipps zu geben, muss aber zurück an den Laptop. Diese Tipps haben Zeit bis zum Moonbuggy-Sommerworkshop.

Ich sammle alle Videos und Fotos ein. Wir hatten 6 Kameras im Einsatz! Dann mache ich mich an die Bild- und Videobearbeitung, werte die Telemetriedaten aus und lade erste Ergebnisse in das Internet hoch. Die Veranstalter haben die Zeit exakt gemessen. Ich komme mit dem Bordvideo und der Telemetrie unabhängig auf das selbe Zeitergebnis – und das ist in unserem Falle Atomuhr-zeitgenau. Nach 6 Stunden brummt mir der Kopf und knurrt der Magen. Immernoch steht unser Name auf Platz 1.

Ich gehe zum Buggy. Es ist 14 Uhr. Vom German Moonbuggy sind nur noch die „Gräten" zu sehen. Alles ist bereits zerlegt. Ich setze mich unter das Zelt und arbeite im Schatten weiter, während unser Team fleißig den Moonbuggy flugfertig macht. Terry stellt seinen Truck bereit und alles wird verladen. Es bleiben 6 Koffer und ein paar Teile von unserem Kampfjet übrig.

Kurz vor Beginn der Award-Zeremonie ist alles fertig und auch die letzte Email abgesendet. Timing!



Nun betreten wir Neuland. Nach den Regeln des Veranstalters müssten wir jetzt zwei Awards bekommen – das „Winning Team" und den „Best International Team Award". Zwar haben wir diesen Preis, gestiftet vom NASA-Headquarter, schon im letzten Jahr bekommen. Aber wir haben in diesem Jahr abermals die beste Zeit unter allen internationalen Teams eingefahren – besser noch: unter allen teilnehmenden Teams. Ich erinnere mich sehr genau an die Besprechung im Marriot-Hotel im Dezember 2008 mit der Leiterin des Veranstalters, Sabrina Pearson. Damals berichtete ich von den zusätzlichen Hürden die ein internationales Team zu nehmen hat und bat um eine kleine Anerkennung aufgrund der Chancenungleichheit. Ich wurde gehört – sogar in der NASA-Administration. Herr Prof. von Puttkamer persönlich kam aus Washington und überrichte diesen Award als gebürtiger Leipziger an uns Leipziger.

Die Award Zeremonie verlief anders. Wir erhielten den Award für ein „Winning Team", ohne wie die US-Teams eine Quittung in der Hand zu halten, was eigentlich hinter diesem Preis steht. Die Vergabebestimmungen für ein „Best International Team" hatte man wohl ohne Ankündigung umgestellt. Ein anderes Team erhielt diesen Award. Auch waren wir sehr überrascht, dass der „Most Improved Award" in diesem Jahr mit einem Cashpreis für das US-Team dotiert war (250 Dollar). Wir erhielten im vergangenen Jahr auch diesen Award, mussten jedoch 50 Euro Zoll dafür bezahlen – ohne Cashpreis, obwohl wieder derselbe Stifter „Jacobs Industries" auftrat.

Es macht sich in mir die Vermutung breit, dass der Veranstalter dem immensen Anstieg des internationalen Anspruchs (verursacht durch uns und gepusht durch das NASA-Headquarters) des Moonbuggy Races noch nicht gewachsen ist. Andererseits ist auch verständlich, dass nach amerikanischem Brauch "Jeder ein Gewinner" ist. So etwas motiviert auch die Verlierer. Aber die Mentalitäten sind verschieden. Hier ist dringend Unterstützung nötig, damit der Wettbewerb nicht seine Seriösität verliert. Ich überlege bereits wie ich als Berater integrativ zur Seite stehen kann. Wir müssen unbedingt die Progression der internationalen Teilnehmer reduzieren ohne die Begeisterung zu schmälern. Es müssen Kontinentalausscheide her. Europa und Asien könnten wir kontrollieren – mehr aber nicht.

Dazu aber muss der Veranstalter bereit sein, Reputation und Arbeit teilen zu wollen, so wie es die NASA-Grundwerte vorschreiben.


Presselinks:

NASA:
http://www.nasa.gov/centers/marshall/news/news/releases/2010/10-029.html
http://www.nasa.gov/topics/moonmars/moonbuggy.html

Huntsville Times:
http://www.al.com/news/huntsvilletimes/local.ssf?/base/news/1270977347296030.xml&coll=1
http://blog.al.com/breaking/2010/04/great_moonbuggy_race_ends_with.html
http://blog.al.com/breaking/2010/04/video_great_moonbuggy_races_at.html

Spaceref:
http://www.spaceref.com/news/viewpr.html?pid=30579

Redorbit:
http://www.redorbit.com/news/space/1848327/winners_of_17th_annual_great_moonbuggy_race_announced/index.html

AllVoices:
http://www.allvoices.com/news/5583991-germany-triumphs-in-nasas-great-moonbuggy-race

Canvasse:
http://www.canvasseopinion.com/germany-triumphs-nasas-great-moonbuggy-race/

Fox10TV.com
http://www.fox10tv.com/dpp/news/fairhope-wins-nasa-moonbuggy-award

Space Pragmatism:
http://spacepragmatism.net/2010/04/in-alabama-passed-competition-moon-buggy.html

Fotoglif:
http://www.fotoglif.com/f/sgu2o05m9qb8

ddp (german press agency):
http://www.ad-hoc-news.de/deutsche-mannschaft-siegt-beim-great-moonbuggy-race-in--/de/Nachrichten/21200304
http://www.themenportal.de/nachrichten/leipziger-jugendteam-reist-zum-moonbuggy-rennen-nach-alabama-55352

German Press in english:
http://www.thelocal.de/sci-tech/20100411-26475.html

Freie Presse:
http://www.freiepresse.info/NACHRICHTEN/REGIONALES/1713882.php

German Spacenet:
http://www.raumfahrer.net/news/raumfahrt/12042010164139.shtml

LVZ-online (Leipzig):
http://nachrichten.lvz-online.de/leipzig/citynews/leipziger-team-wird-moonbuggy-weltmeister-erster-platz-beim-nasa-rennen-in-den-usa/r-citynews-a-25523.html

Info-TV Leipzig (same as channel 31):
http://www.info-tv-leipzig.de/news/info-tv-news/allgemein/leipziger-mannschaft-siegt-beim-great-moonbuggy-race-in/

Yahoo-finance-Germany:
http://de.finance.yahoo.com/nachrichten/leipziger-jugendteam-reist-zum-moonbuggy-rennen-nach-alabama-ddpnews-c5b17aa0d39f.html?x=0

Mainfranken:
http://www.mainfranken24.de/index.php?id=11&no_cache=1&tx_gfmddpNews_pi1%5Bsingle%5D=129424

Start-Up Magazine, Germany:
http://www.unternehmenswelt.de/news/unternehmertum/team-deutschland-ist-weltmeister

chamber for handicraft:
http://www.hwk-leipzig.de/3,0,1942.html