Freitag, 19. Februar 2010

Bleicherode und Institut Rabe

Evgeniy Svyatenko
Moonbuggy Team Russland 2010
übersetzt von Ralf Heckel
www.spaceeducation.eu

17. Februar 2010

"Als mein Vater nach Deutschland kam, sind bereits unsere Spezialisten seit dem 23. April 1945 dort. Im Sommer dieses Jahres wurde das Institut "Rabe" (RAketenBau und-Entwicklung)) in Bleicherode bei Nordhausen gegründet, wo er neben sowjetischen und deutschen Raketeningenieuren arbeitete. Der Chef wurde Major Tschertok ... ... Ende September erschien dort zum ersten Mal SP Korolev. Wer ist er und wieso kommt er aus Berlin? BE Tschertok wusste das nicht, erinnert sich aber an das erste Treffen und sagt: Es war ein Treffen für das Leben "
"Vater, Band 2 "Natalia Koroljow. Kapitel 14.




Wir wussten nur, dass sich Tschertok an diese ersten Sekunden der Bekanntschaft mit Koroljow erinnert. Mehr ist uns nicht bekannt. Sergej Pawlowitsch saß lange Zeit in Straflagern. Also war er wie jeder andere Mensch nach der Freilassung darauf bedacht, die neue Freiheit auch emotional auszuleben. Ich kann mir gut vorstellen, dass dies vor allem durch rasanten Fahrten mit guten deutschen Autos möglich war. Es gibt heute noch den Brems-Parkplatz in der Nähe des Hauptgebäudes des Instituts Rabe. Korolev kam mit quietschenden Bremsen und driftenden Rädern dort zum Stehen. Tshcertok war sofort aufgesprungen, um aus dem Fenster zu schauen. So hat Ralf es uns erzählt, als wir am Gebäude des Institutes hielten. Es steht im ersten Band von BE Tschertok „Menschen und Raketen".

Dort angekommen erwartete uns Dr. Toast. Er zeigte uns die Fenster, hinter denen sich das Büro von Tschertok befand. Heute ist das Hauptgebäude absolut leer. Wir fragten Dr. Tost was damit jetzt passiert. Es stellte sich heraus, dass man es für nur 10 000 Euro kaufen könnte. Verglichen mit dem Moskauer Preisen ist das sehr preisgünstig. Das sind ca. 400 000 RUB.

Wir haben dann Fotos aus drei Generation zusammen mit dem Buch „Vater" von Natalia Koroleva gemacht. Zuerst ist das historische Fotos aus 1946, dann der Besucht von Natalia Koroljow 2008 und nun wir. Im ehemaligen Institut Nordhausen gab es ein Geschäft namens „Südharz". Es ist jetzt etwas flacher. Betreten können wir es nicht, es ist in privater Hand.



Es sind viele Villen um das Hauptgebäude des Institutes Rabe, wo früher die Ingenieure gelebt haben. Jetzt gibt es dort einen Kindergarten.

Dr. Toast skizzierte Pläne des historischen Vereins "Institut Rabe", um das Haus mit ihrer großen Geschichte wieder zu beleben. Aber sie haben überhaupt kein Geld dafür. Unter ihnen befinden sich keine Raketenwissenschaftler. Es sind ganz gewöhnliche Menschen, die ihre Gemütlichkeit auch behalten wollen. Darüber beklagte sich Dr. Tost.

Ralf fuhr uns weiter zur Villa Franka. Historische Fotos von der Fassade dieses Gebäude gibt es in keinem Buch, aber es gibt ein Foto von Innen mit zahlreichen bekannten sowjetischen Raketenwissenschaftlern des späteren OKB-1. Dieser Raum existiert noch heute.



Als Tschertok nach Bleicherode gegen Ende Juni 1945 kam, ging er zum Bürgermeister der Stadt auf der Suche nach Wohnraum. Er bekam die schönste Villa der Stadt mit einem Kessel im Keller, so dass das Haus immer warmes Wasser hatte. Vorher hatte Tschertok noch nie fließendes heißes Wasser in der Wohnung.

In seinem Buch "Raketen und Menschen" beschreibt er, als er in dieses Haus ging und den ganzen Luxus sah, dachte er: "Jetzt beginnt ein neues Leben." Im März zuvor wohnte in diesem Gebäude für ein paar Wochen Werner von Braun. Für uns ist das Gebäude heute geschlossen. Der Besitzer war nicht da und so konnten wir das ehemalige Offizierskasino und Wohnhaus vom Boris Jewsejewitsch nicht von Innen sehen. Also machten wir schnell Fotos und fuhren zum Haus in welchem die Familie Koroljow wohnte. Natalia Koroljowa sagte mit eigenen Worten zu Ralf: „Hier verbrachte ich die schönste Zeit meiner Kindheit."



Ralph fand das Haus vor zwei Jahren lediglich anhand der alten Fotografie im Buch und kam wenig später mit der Tochter von Sergej Pawlowitsch hierher. Während dieses Besuches konnten sie nicht mit dem Besitzer des Hauses sprechen. Also gingen sie zum Nachbarn, wo sie erfuhren, dass die Frau des Besitzers vor kurzem gestorben war. Man wollte deshalb nicht stören.



Heute öffnete sich die Tür. Der Mann war sehr nett und ließ uns in das Haus. Es tat ihm leid, dass er gerade einen neuen Fußbodenbelag einklebte. So konnten wir nur in den Flur und das Treppenhaus. Für den überraschten Besitzer waren die historischen Fakten seines Hauses überwältigend. Er wusste nicht, dass hier der Konstrukteur des Sputniks und der heutigen Sojus-Raketen lebte, obwohl er schon seit vielen Jahren darin lebt. Er sagte, dass ihm seine Frau erzählte, wie sie als Kind gemeinsam mit einem russischen Ingenieur im Haus lebten. Da wäre im Sommer auch einmal ein kleines Mädchen gewesen. Das kann nur Natalia gewesen sein.

Nur wenige Menschen in Bleicherode wissen von der tiefgehenden russischen Raumfahrtgeschichte und ihren Anfängen hier. Es war damals eben alles Geheim – und das setzte sich in der Zeit der DDR fort. Vieles musste so in Vergessenheit geraten. Für uns war es sehr traurig, dass sich Frau Koroljow und die Frau des Hausbesitzers nicht mehr kennenlernen konnten. Dennoch – ohne Ralfs gründliche Arbeit und die Bemühungen seines Instituts aus Leipzig wären weder Natalia Koroljowa noch wir heute hier und könnten darüber vor dem 50. Jahrestag von Gagarin darüber berichten.

Unser letzter Haltepunkt in Bleicherode ist das Café «Waldhaus Japan». Dort gab es Feste für russische und deutsche Ingenieure in einem großen Saal. Der Name Japan hat eine interessante Geschichte. 1790 kaufte William Müller ein Forstgrundstück und baute ein Haus darauf. Freunde besuchten ihn dort und er schenkte immer etwas zu Essen und Trinken aus. Irgendwann sagte er zu seinem Weber Friedrich Krumbein: "Du bist erste Wirt hier oben!". Das war eine großartige Idee und am 23. August 1791 erhielt Müller die Erlaubnis ein Restaurant zu eröffnen. Friedrich Krumbein war sehr rührig und ging zu einer Auktion nach Leipzig. Dort ersteigerte er die wunderschöne handbemalte Tapete aus der Konkursmasse eines Fürsten. Diese hängt heute im Saal. Es sind Motive aus dem Jahre 1835.



Der jüngere Sohn Krumbeins wurde Seemann und reiste viel, vor allem nach Ostasien und Japan. Als er von den Reisen zurück kam, musste er immer erzählen – und am liebsten tat er das über Japan. Und so nennte man ihn im Ort bald „Den Japaner" und das Haus in dem er wohnte das „Haus Japan".

Nun, das alles ist ein andere Geschichte. Wir hegen in das Restaurant. Es ist gemütlich eingerichtet. Ralph etwas sprach mit der Frau an der Bar und fragte nach dem Saal. Uns wurde sofort geöffnet. Der Saal ist nicht isoliert und wird auch nur selten beheizt, so wurden die Türen mit warmen Decken verhängt. Aber Innen ist es fürstlich eingerichtet. Da ein Kronleuchter aus Kristall - die Luft in diesem Raum ist mit dem Gewicht des Altertums gefüllt. An den Wänden befinden sich noch im selben Tapete von Fredrich Krumbein seit der Auktion vom Jahre 1835. Eines der Fragmente erwies sich als ein Satyr mit sich tummelnden Nymphen. Ein kleiner Teil des Bildes wird gerade Restauriert. Er ist in Arbeit.

Hier saßen im Jahre 1948 die deutschen und russische Raketeningenieure mit Tschertok und Koroljow zusammen. Unsere Ingenieure veranstalteten eine Abschlussveranstaltung und sagten, dass morgen früh ein Zug nach Moskau fährt. Wer mitkommen möchte, muss in aller Frühe fertig sein. Die meisten Ingenieure weollten ihre Familien ernähren und saßen bereits seit Wochen auf gepackten Koffern - und so "jagte SP alle über die Bahnschwellen nach Moskau".

Die Frau sagte, dass vor mehr als 15 Jahren hier ein alter russischer Mann mit zitternden Händen herkam und viele Fragen stellte. Für uns war klar, dass sie nur Boris Tschertok gemeint haben kann. Nach dem Fall der Mauer kam 1992 eine kleine fremde Reisegruppe aus Moskau in diese Stadt. Die alten Herren spazierten durch die Straßen von Bleicherode, inspizierten Häuser und erzählte den ahnungslosen Leuten etwas von Raketeninstituten aus der Vergangenheit dieser Stadt von denen sie keinen blassen Schimmer hatten. Sie sahen in ihm einen Verrückten. Nur ein paar alte Leute konnten sich im Kreise der Familie an einige russische Ingenieure erinnern. Und so entwickelte sich nach langen Jahren der Geheimhaltung auch in Bleicherode ein mühsames Interesse an diese wichtigen Momente in der Geschichte dieser kleinen Stadt.

Ich kann Natalia Koroljowa nun ganz verstehen, wenn sie in ihrem Buch schreibt: „Es war die schönste Zeit meiner Kindheit", denn hier ist es beschaulich, ruhig und schön. Hier könnte man Urlaub machen. Ralf schlägt vor, das leerstehende Gebäude des Institutes Rabe in ein schönes Wohnheim für russische Studenten und Raumfahrtingenieure mit Museumseinrichtungen umzuwandeln. Hier kann man in der Abgeschiedenheit und auf den Fundamenten russischer Raumfahrt auftanken - besser als in Alushta, dessen Zustände nicht mehr zeitgemäß sind. Es würde die Beziehungen der Ingenieure beider Länder wieder vertiefen. Aber sicher ist das noch ein langer Weg.

Galerie:
http://www.flickr.com/photos/spaceeducation/sets/72157623461187668/

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