Mittwoch, 17. Februar 2010

Alles dreht sich

Stefan Martini
Moonbuggy Team Germany 2010
http://www.spaceeducation.de/

Borsdorf, 15.2.2010

Nach einer kurzen Nacht im SEI-Hostel und einem schnellen Frühstück machen wir uns um 8 Uhr auf zum Berufs- und Technologiezentrum der Handwerkskammer zu Leipzig. Hier haben meine Moskauer Teammitglieder in der letzten Woche bereits tatkräftig ihren Mann gestanden. Für mich ist es der erste Tag in diesem Zentrum und deshalb wird es ein außergewöhnlicher und ereignisreicher Tag werden.

Ich bin vor 4 Jahren in das SEI eingetreten, um vor genau 3 Jahren den ersten internationalen Moonbuggy zu bauen. Die Umstände unter denen wir damals konstruierten sind mit den Möglichkeiten dieses Zentrums heute nicht mehr zu vergleichen. Wir standen vor einem weißen Blatt Papier und wussten nicht wo wir anfangen sollten. Eine Werkstatt hatte das SEI damals noch nicht. Wir schraubten und sägten in einem verfallenen Schuppen und auf dem Hof. Ein Bautunnel gab uns etwas Schutz vor dem Schnee und dem Abriss der ehemaligen Grünen Schänke. Mir frohren die Finger fast ein und von CAD-Design hatten wir damals noch keine Ahnung. Ich war vor Überarbeitung chronisch müde und mir schmerzten die Hände nach jedem Arbeitstag. Ich war jung und hatte keine Ahnung auf was ich mich einlassen würde. Aber die reizvolle Erwartung auf das was folgen wird und nicht zuletzt der starke Teamgeist trieben uns damals an. Es waren wahre Pionierjahre und ich erinnere mich gern daran.

Konstruieren 2007 / 2010

Heute ist alles anders. Ein riesiges Berufsbildungszentrum öffnet alle Tore. Die Hallen sind warm. Es stehen überall Maschinen von denen wir damals nur träumen konnten. Es ist alles da! Ich kann mich frei bewegen und muss nicht mehr mühsam mit den Gelben Seiten und dem Telefonhörer in der Hand nach möglichen Partnern suchen. Die Leute sind alle sehr nett und zeigen mir alles was ich wissen will. Das Team hat einen seit 3 Jahren kampferprobten und immer wieder verbesserten Moonbuggy vor sich. Sie können sich auf Details konzentrieren. Auch ist der Buggy viel komplizierter geworden.
Moonbuggy bauen 2007/2010

Ich muss mich in filigrane Getriebe einarbeiten, in die Technik der Telemetrie und Softwareauswertung, in Berechnungen, Analysen und das Konstruieren mit professioneller Ingenieurs-Software. Ich sehe mir den Buggy an und versuche die Veränderungen zu verstehen. Dabei stelle ich mit etwas Stolz fest, dass sich die Grundkonstruktion des Rahmens nicht wesentlich verändert hat. An allen Hauptteilen des Rahmens hängt auch noch mein Schweiß mit dran. Wir haben damals also solide Arbeit geleistet. Ich muss an demselben Teil mit meiner Arbeit beginnen, an welchem ich vor 3 Jahre aufhörte, den Tretsäulen. Meine Aufgabe ist es nun, diese bei selber Stabilität leichter zu machen.

Als wir am Zielort ankommen finden wir eine nahezu leere Werkhalle vor. Nur der Meister Müller und ein Lehrling sind vor Ort. Alle andern sind in einer pädagogischen Schulung und sollen erst später wiederkommen.

Nachdem wir die neuen Einzelteile von Herrn Wittenbecher aus dem Auto geladen, geht es an die Arbeit. Zunächst muss ein Überblick verschafft werden. Also setzen wir uns zusammen an Jewgeni Zakutins Notebook und besprechen anhand der CAD-Vorlage welche Sachen heute wie bearbeitet werden sollen.

Ich übernehme die Aufgabe Löcher in die Tretsäulen des Buggys zu fräsen ohne jemals vorher an einer Fräsmaschine gearbeitet zu haben. Jedoch ist die Rettung nah. Meister Müller „nimmt mich bei der Hand", führt mich zur größten Maschine im Raum und weist mich in die Bedienung des Geräts ein. Er fräst das erste von 11 Löchern, die ausschließlich zur Gewichtseinsparung dienen.

Anschließend überlässt er mir die Arbeit und steht mir kontrollierend sowie beratend zur Seite. Es ist erstaunlich leicht die Löcher akkurat zu bohren dafür ist das Verstellen der schweren Maschine umso anstrengender. Meine ungeschulten Hände bekommen bald erste Schwielen. Doch mit der Zeit ist auch das kein Problem mehr zumal mir nun auch einige von den zurückgekehrten Auszubildenden unter die Arme greifen.


Die Zeit vergeht wie im Flug und bevor ich die Löcher fertig senken kann gehen die ersten Azubis bereits Mittagessen. Ich will aber meine Arbeit beenden. Also bleibe ich noch bis ich fertig bin und warte auf unsere russischen Teammitglieder die ebenfalls ihre Arbeit beenden wollen.

Nach der Stärkung geht es weiter mit der anderen Tretsäule. Auch hier müssen Löcher zur Gewichtsreduzierung eingebracht werden. Dank der Übung geht es nun schneller von der Hand – Übung macht eben den Meister. Nachdem auch an dieser Tretsäule alle Löcher ihren Platz gefunden haben, geht es mit weiteren Aussparungen am Fuß des Teiles weiter. Aufgrund der Verwinkelten Struktur des Teiles an dieser Stelle ist es manchmal schwer das Werkstück einzuspannen. Auch sind es nun keine runden Löcher mehr, sondern Aussparungen nach Zeichnung. Das ist anspruchsvoller und man muss den Kopf zusammen nehmen.

Diese Konzentration hält an bis Mitternacht – bis zum Schreiben der Tagesberichte.

Am Ende des Tages falle ich erschöpft ins Bett. Wir haben heute so einiges geschafft. Trotzdem muss man sagen, dass es noch ein recht weiter Weg bis zur Vollendung des Moonbuggys ist. Letztendlich gibt es, auch wenn man denkt man ist fertig, noch zahlreiche Möglichkeiten das Buggy zu verbessern. Wir werden sie finden. In den letzten Jahren haben wir kaum auf Gewicht geachtet. Es ging um das Herausfinden der Stabilität und der Grundfunktionen. Jetzt wird nach jedem Gramm Gewicht gefahndet und Jewgeni kann mit seinem Notebook vorab exakt sagen, wie viel Gewicht mit welchem Arbeitsschritt gespart werden kann. Auch kann er die einmal digitalisierten Teile nun in verschiedenen Werkstoffen berechnen lassen. So wäre eine Ausführung aus Aluminium erstrebenswert. Der Computer schlägt dann ergänzende Streben vor.

Ich habe aber erst 3 Stunden beim Bedienen dieses Programmes über die Schulter geschaut und dabei festgestellt, dass ich noch viel nachzuholen habe.

Fotos:
http://www.flickr.com/photos/spaceeducation/sets/72157623317248091/







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